Berlin/Lecce (dpa) - Der am 10. Mai in Lecce beginnende 86. Giro d'Italia über insgesamt 3449 km wird zur Nabelschau der gefallenen Helden. Die italienischen Radprofis sind fast unter sich, Topfahrer aus dem Ausland Mangelware. Auch das belegt nach den Vorfällen der Vorjahre die sportliche Fragwürdigkeit des dreiwöchigen Unternehmens, das am 1. Juni in Mailand endet.
Aus Deutschland startet nur das Gerolsteiner- Team, das aber seine Tour-de-France-Besetzung um Davide Rebellin schont. Eine Fortsetzung der zehntägigen Fahrt in Rosa des Jens Heppner erscheint diesmal unwiederholbar.
Bis auf den Vuelta-Gewinner Aitor Gonzalez aus Spanien haben alle Kandidaten für das Rosa Trikot einen italienischen Pass - und sind Doping-Fahndern wohl bekannt. Die beiden Erstplatzierten des Vorjahres - Paolo Savoldelli (Italien/Telekom) und der zuletzt überragende Tyler Hamilton (USA/CSC) - meiden den Giro und bereiten sich auf die Tour vor. Das gilt auch für Coast und Jan Ullrich, für Lance Armstrong und sein US-Postal-Team ohnehin.
Obwohl sich die italienische Justiz bei Doping-Vergehen kompromisslos gibt, ist der Weg für einschlägig Bekannte aus dem Gastgeber-Land wieder frei: Gilberto Simoni, Sieger von 2001, wurde nach zweifachem Kokain-Nachweis im Vorjahr sogar begnadigt. Die Zwei- Jahres-Sperre Stefano Garzellis nach seiner Giro-Demission 2002 wegen der Einnahme des Verschleierungs-Produktes Probenicid wurde auf elf Monate reduziert.
Francesco Casagrande, 2000 auf den letzten Metzen im Giro-Finale von Garzelli noch abgefangen, flog im Vorjahr zwar «nur» wegen einer Tätlichkeit aus der Starter-Liste, kann aber auf eine Doping-Vergangenheit zurückblicken wie Marco Pantani. Dessen neueste Sechs-Monats-Sperre lief im März aus. Nach dem Giro hat er weitere Gerichtstermine. Dario Frigos Vergehen mit anschließender Sperre datieren aus dem Jahr 2001.
Vorhersehbar ist ein Rekord durch Weltmeister Mario Cipollini: Noch zwei Etappensiege, und der Exzentriker aus Lucca hat die Bestleistung Alfredo Bindas aus den 30er Jahren (41 Tagessiege) geknackt. Eigentlich nur dafür ist der 37-Jährige noch unterwegs - im nächsten Jahr will Cipollini, 2002 sechsfacher Etappengewinner, Schluss machen.
«Der Giro ist das richtige Pflaster, um den Jungen bei uns eine Chance zu geben. Leider ist Fabian Wegmann noch nicht so weit. Die Tour de France spielt in einer eigenen Liga - da reicht nichts heran», meinte Gerolsteiner-Teamchef Hans-Michael Holczer vor dem Giro-Start. Damit die populäre Rundfahrt nicht zur italienischen Meisterschaft verkommt, plant der Weltverband UCI in Zukunft Start-Verpflichtungen für die Top-Teams.