Lignan (dpa) - Auch ohne weiße Kittel arbeiten Achim Spechter und Thomas Klimaschka täglich mindestens zwölf Stunden und das - im Urlaub. Die beiden Ärzte in Jan Ullrichs Bianchi-Team, aus der Konkursmasse des Vorgängers Coast übernommen, haben mit dem Rollentausch keine Probleme.
«Nicht der Arzt steht im Mittelpunkt. Nicht die Patienten kommen zu uns, sondern wir gehen zu den Fahrern», umschrieb Spechter seine speziellen Frankreich-Ferien bei der Tour de France. Sein Kollege Klimaschka, Oberstabsarzt bei der Bundeswehr, ist abends nach der Massage im besonderen bei Ullrich im Spezialeinsatz: «Ich war zwar noch nie in China, habe mich aber auf Akupunktur spezialisiert.»
Der Mediziner aus Nassau und Fußballer beim Verbandsligisten SV Arzbach setzt dem Tour-Sieger von 1997 regelmäßig fünf bis zwölf Nadeln, bis zu 30 Minuten: «Das dient der Entspannung, dem Ausgleich, der allgemeinen Kräftigung und soll oft nicht nur akute Beschwerden beheben. Akupunktur hilft nur, wenn etwas ge-, aber nicht zerstört ist.» Ullrich schätzt diese Behandlungsmethode aus alten Zeiten, als Bjarne Riis zum Telekom-Team kam. Bianchi-Team-Chef Rudy Pevenage stören die Nadeln wenig: «Wenn es nichts schadet, ist es in Ordnung.»
Als «Steuerfunktion» beschreibt Spechter, Klinikarzt in Passau, seinen Honorar-Job in der Bianchi-Mannschaft, in der auch Ullrichs Bruder Stefan als Mechaniker arbeitet. Der umtriebige Team-Manager Jacques Hanegraaf sieht es nicht so gern, dass die Mediziner mit Journalisten sprechen. «Unsere Ärzte sollen dadurch auffallen, dass sie nicht auffallen», meinte der Niederländer, als Ex-Profi quasi reflexartig Anhänger der Schweigepflicht. Sie sollten in erster Linie dafür sorgen, «dass die Fahrer gesund bleiben», nannte Spechter die hehren, primären Aufgaben. Nach großen Anstrengungen sind auch ab und an Infusionen mit Kochsalzlösungen und Elektrolyten nötig.
Für Leistungssteigerungen seien die Bianchi-Ärzte nicht zuständig. Über die angeschlagene Reputation mancher Ausdauersportler, auch Radfahrer, seien sich Spechter und Klimaschka im Klaren. «Häufig ist es das erste, was wir gefragt werden: Was gebt ihr denen?» erzählte der ehemalige bayerische Zeitfahr-Meister Spechter, dem bewusst ist, dass seine Tätigkeit in einem Profi-Team «heikel» ist und unter ungünstigen Umständen sogar zur persönlichen Rufschädigung führen könnte.