Büttgen (dpa) - Der 77-jährige Mediziner Gustav Raken praktiziert längst nicht mehr, ist in den letzten Tagen aber ein sehr gefragter Mann:
Der ehemalige Arzt im Radsportverband Nordrhein-Westfalen leitete in seiner damaligen Praxis - wie er es empfand - eine Doping-Außenstelle der Uniklinik Freiburg und redet jetzt darüber.
Zwischen 1974 und 1977 spritzte Raken jährlich «zwölf bis 15 Radsportlern» das Anabolikum Deca-Durabolin. Das erklärte er der Nachrichtenagentur dpa und bestätigte damit einen Bericht des Bayerischen Rundfunks. «Das Fernsehen und andere Medien stehen Schlange bei mir».
Raken fühlte sich als «ausführendes Organ der Uni-Klinik Freiburg», die auch mehr als 20 Jahre später in der Doping-Affäre um das Team Telekom/T-Mobile eine Hauptrolle spielte. Aus dem Breisgau hatte er die Dopingpräparate per Post erhalten, «mit einem netten Brief und Dankeschön dabei». Medizinische Zweifel gegen den Regelverstoß seien ihm nicht gekommen, nachdem der damals hoch angesehene Freiburger Olympia-Arzt Joseph Keul auf einem Ärzte-Kongress in Köln laut Raken erklärt habe, Deca-Durabolin schade nicht und könne ruhig verabreicht werden.
Keul und andere vertraten laut der unlängst veröffentlichten Studie «Doping in Deutschland» in einem Aufsatz noch im Jahr 1976 die Auffassung, dass «die Nebenwirkungen, über die zahlreich berichtet worden war, ein Verbot nicht rechtfertigten würden. Allein für Frauen und Kinder, so die Autoren, sei der Einsatz von Anabolika wegen 'fehlenden Wissens' abzulehnen.» Diese Empfehlung, so heißt es in der Studie, sei in der Praxis jedoch kaum beachtet worden.
In die Raken-Nebenstelle kamen die Fahrer in der Trainings-Aufbauphase im Februar/März. «Insgesamt waren das zwischen 1974 und 77 so rund 30 bis 40 Sportler. Das waren alles Kaderathleten, der ein oder andere Olympia-Teilnehmer von 1976 wird wohl auch dabei gewesen sein - an Namen erinnere ich mich nicht mehr», sagte Raken, der die nicht für Sportler verwendeten Medikamente aus den Freiburger «Carepaketen» an seine älteren Patienten weiter reichte. «Die hatten dann wieder Appetit und fühlten sich besser, waren positiver eingestellt - da sieht man doch, dass das gewirkt hat», erklärte Raken.
Nach 1977 wurde die stark frequentierte Außenstelle Raken geschlossen. «Es hieß, die Sportmedizinischen Institute in Freiburg und Saarbrücken würden die Behandlungen der Sportler jetzt in ihre Hände nehmen», erklärte der Mediziner weiter.