Athen (dpa) - Nach der ersten Trainingsfahrt auf dem 48 Kilometer
langen Parcours des olympischen Zeitfahrens in Vouliagmeni strahlte
Michael Rich über das ganze Gesicht: «Mein Kurs». Der 34-Jährige vom
Team Gerolsteiner zählt am Mittwoch zu der Hand voll Topfavoriten.
Der zweifache Vize-Weltmeister im Kampf gegen die Uhr hofft dabei auf
das Gesetz der Serie. «In Seoul war ich im Zeitfahren Zehnter, in
Barcelona mit der Straßenmannschaft Olympiasieger, in Atlanta wieder
Zehnter: Da wäre jetzt wieder Gold fällig - ich hätte nichts
dagegen», sagte Rich, der natürlich weiß, wen er dafür schlagen muss.
«Jan dürfte in seiner jetzigen Verfassung kaum schlagbar sein. Das
wäre schon eine Überraschung, wenn ich schneller wäre», meinte Rich,
der wie alle in dem zweifachen Zeitfahr-Weltmeister Jan Ullrich eine
schier unüberwindliche Hürde sieht. Zumal der T-Mobile-Kapitän, in
Sydney im Zeitfahren Silbermedaillen-Gewinner hinter dem russischen
Armstrong-Helfer Wjatscheslaw Jekimow, nach Rang 19 im Straßenrennen
noch etwas gutzumachen hätte. Burkhard Bremer, Sport-Direktor im Bund
Deutscher Radfahrer (BDR), hat sogar zwei Medaillen hochgerechnet:
«Wenn alles optimal läuft.»
Rich, der lange um seine Olympia-Nominierung bangen musste,
beschritt bei seiner Vorbereitung ungewöhnliche Wege. Zuletzt fuhr
der Sieger des Zeitfahrens der Deutschland-Tour (vor Ullrich) die
Regio-Tour, davor startete der «Bulle aus Emmendingen» bei der
Mountainbike-Marathon-WM. «Ich bin 70. oder so geworden», erzählte
Rich, der von seinem Team nicht für die Tour de France nominiert
wurde, weil Pyrenäen und Alpen vor dem einzigen großen Zeitfahren
lagen. Sein Teamchef Hans-Michael Holczer plant die Fahrt nach Athen
zur moralischen Unterstützung Richs auch ohne Akkreditierung.
Während Rich die Küstenstrecke schon einen Tag nach dem
Straßenrennen inspizierte, fuhr Ullrich nach den Anstrengungen des
Samstags auf der Rolle. Am Montag trainierten Ullrich, Erik Zabel,
Rich und Andreas Klöden zusammen mit drei Bahnfahren bei stürmischen
Winden in Vouliagmeni zusammen auf dem Kurs am Meer. Rich, der als
WM-Vierter des Vorjahres nach der Doping-Sperre des am Grünen Tisch
entthronten Weltmeisters David Millar die Bronzemedaille zugeschickt
bekommt, fuhr nach kurzer Zeit eigene Wege, um noch spezielles
Material zu testen. Am Ende der dreistündigen Trainingseinheit waren
aber alle sechs Fahrer wieder zusammen.
«Ein schöner Roller-Kurs, leicht zu fahren», fasste Ullrichs am
Montag seine ersten Eindrücke zusammen. Nach dem Hitzerennen vom
Samstag mit Temperaturen um 43 Grad kam der Wahl-Schweizer beim
Training in Vouliagmeni scheinbar kaum ins Schwitzen: «Richtig kalt
heute, ich friere», scherzte der Olympiasieger von Sydney. Das
Thermometer zeigte 33 Grad.