Plowdiw (dpa) - Mit der zweiten Goldmedaille um den Hals und im schicken Europameister-Trikot sang Maximilian Levy im Plowdiwer Kolodrum-Velodrom gerührt die deutsche Nationalhymne, doch in Gedanken war er zuhause.
Schließlich hatten Ehefrau Madeleine und die drei gemeinsamen Kinder im heimischen Cottbus-Döbbrick erfolgreich die Daumen gedrückt und dem 33-Jährigen den Rücken frei gehalten. «Es lohnt sich immer, für seine Visionen zu kämpfen. Ich habe eine Bestätigung für meine Leistungsfähigkeit gesucht. Dieses Ergebnis gibt mir richtig Mut und Aufwind für die nächsten Monate», sagte Levy nach seinem Doppel-Sieg bei der Bahnrad-EM in Sprint und Keirin.
Nach dem Rückzug des deutschen Verbandes für die Titelkämpfe in Bulgarien aufgrund der Corona-Pandemie ging Levy als Einzelkämpfer und auf eigenes Risiko an den Start. Und der viermalige Weltmeister präsentierte sich im Spätherbst seiner erfolgreichen Karriere topfit. Zunächst schnappte sich der Cottbuser den Sieg im Sprint. In 9,672 Sekunden fuhr er in die Qualifikation die schnellste Zeit seiner Karriere unter Normalbedingungen. Nur in der Höhe von Mexiko war er einmal schneller. «Das hätte ich in seinem Alter nicht mehr für möglich gehalten», staunte Heimtrainer Eyk Pokorny, der im Krafttraining neue Reize gesetzt hatte.
Im Sprint-Finale siegte Levy gegen den ehemaligen Weltmeister Denis Dmitriew aus Russland mit 2:0 Läufen - im zweiten Lauf sogar nach einem Stehversuch. «Das war die ganz hohe Schule des Sprints und einfach nur cool», freute sich Levy über seinen Coup, mit dem er auch seine Medaillensammlung komplettierte. Ein internationaler Erfolg in der Königsdisziplin fehlte ihm noch. «Das Ende meiner Karriere kommt immer näher. An diesen Moment und diesen Sieg werde ich deshalb immer denken», sagte Levy, der 2011 das EM-Finale noch verloren hatte.
Auch im Keirin war der Oldie in Abwesenheit der zuletzt übermächtigen Niederländer und starken Franzosen eine Klasse für sich. Souverän von der Spitze holte er vor Dmitriew und dem Griechen Soitirios Bretas seinen zweiten Titel. «Ich hatte nach dem Sieg im Sprint keinen Druck mehr, wollte nur noch Spaß haben und meiner Profession nachgehen», sagte Levy, der für seine zwei EM-Siege knapp 1400 Euro Preisgeld erhielt. Viel größer aber war für ihn der emotionale Gewinn - bei überschaubarer Gefahr trotz Reise in ein Risikogebiet.
Nach einem schwierigen Jahr fast ohne Wettkämpfe aufgrund der Pandemie zog Levy ein versöhnliches Fazit. «Alles Schlechte hat auch etwas Gutes - ohne Corona wäre ich bei der EM sicher nicht gefahren», sagte der 33-Jährige. Mit den Medaillen und neuer Motivation im Rücken geht der Routinier nun die Vorbereitung auf seine vierten Olympischen Spiele 2021 an. Zunächst sind aber zwei Wochen mit der Familie angesagt: «Ich freue mich total auf zuhause. Und meine beiden Mädels Tessa-Lynn und Mila-Julie sind schon ganz heiß auf die beiden Kuscheltiere, die ich in Plowdiw auch gewonnen habe.»
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