Frankfurt (rad-press) Aussichtsreich wie selten
in den letzten Jahren fahren die deutschen Querfeldein-Fahrer und -Fahrerinnen Ende Januar
zu den Weltmeisterschaften im niederländischen St. Michielsgestel. Nicht nur, dass mit
dem 20-jährigen U23-Fahrer Steffen Weigold in den letzten Jahren ein junger Fahrer
herangereift ist, dem der Griff nach den Medaillen durchaus zuzutrauen ist. Auch bei der
Vergabe des ersten Regenbogentrikots im Querfeldein der Frauen wollen die deutschen
Radsport-Amazonen, und allen voran Hanka Kupfernagel, ein gewichtiges Wörtchen mitreden.
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Flaute im
Elitebereich noch nicht beendet
Dem vorsichtigen Optimismus im Nachwuchs- und der Zuversicht im
Frauenbereich steht die weiter andauernde Krise im Elitebereich gegenüber. Mit Malte
Urban wurde nur ein einziger Fahrer für die Weltmeisterschaften nominiert.
"Platzierungen unter den ersten zehn sind derzeit von keinem unserer Fahrer zu
erwarten," zeigte sich Bundestrainer Bernd Dittert nach dem Saisonverlauf realistisch
und zog entsprechende Konsequenzen, indem er auf die Nominierung weiterer Elitefahrer
verzichtete. "Lediglich Malte Urban hat in dieser Saison durch konstante Leistungen
überzeugt und bei einigen Weltcuprennen bewiesen, dass er um Platz 15 mitfahren
kann."
Ralph Berner, der bei seinem "Querfeldein-Comeback" nach
zweijähriger Pause Anfang Januar Deutscher Vize-Meister wurde, sagte dem Bundestrainer im
Hinblick auf eine optimale Olympia-Vorbereitung für die Titelkämpfe ab. Sein großes
Saisonziel ist das olympische Cross Country-Rennen am 24. September. Jörg Arenz, der
Deutsche Meister der Jahre 1998 und 1999, konnte hingegen in dieser Saison nicht an die
Leistungen der vergangenen Jahre anknüpfen. Der Kölner erklärte inzwischen seinen
Abschied vom aktiven Sport und lässt seine Karriere langsam ausklingen. Tobias Nestle
wurde auf Grund des zu großen Trainingsrückstandes nach zahlreichen Verletzungen in
dieser Saison nicht für die WM nominiert. "Ihn an den Start zu schicken bringt
nichts, wenn er nicht topfit ist", rechnet Dittert für die Zukunft jedoch weiterhin
mit dem Ludwigsburger.
Malte Urban zeigte zuletzt mit Rang 16 beim Weltcup in
Zeddam/Niederlande und Platz 18 in Leudelange/Luxemburg ansprechende Leistungen. Dittert
hofft nun, dass der beim GSII-Team Coast unter Vertrag stehende Herforder seinen grippalen
Infekt, unter dem er seit dem Weltcup-Finale in Nommay litt, bis zur WM völlig
auskurieren kann. Im Feld der übermächtigen Belgier und Niederländer, die den
Querfeldeinsport gegenwärtig dominieren, wäre eine Platzierung um Platz 15 allerdings
schon als Erfolg zu bewerten. Die Belgier Mario de Clercq, Weltmeister 1998 und 1999, und
Weltcup-Sieger Sven Nijs, die Holländer Richard Groenendaal und "Altmeister"
Adrie van der Poel sind erste Titelanwärter, aber auch der Italiener Daniele Pontoni
befindet sich in hervorragender Form und geht nicht ohne Chancen auf den 2.660 Meter
langen, sehr schnellen, aber technisch nicht zu schweren Kurs.
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Die
Zukunft im deutschen Cross-Sport heißt Steffen Weigold
Steffen Weigold, 1997 WM-Dritter bei den Junioren und im
vergangenen Jahr als Vierter nur knapp an den Medaillenrängen vorbei gefahren, will in
diesem Jahr den großen Durchbruch schaffen. Und sein Saisonverlauf lässt auch bei der WM
einiges erwarten. Konstante Leistungen im Weltcup und Platz 22 in der Gesamtwertung
bestätigten seine Rolle als Hoffnungsträger des deutschen Cross-Sports.
Vom Feld der Weltklasse-Crosser zeigte sich der junge Alpirsbacher
unbeeindruckt und landete bei zahlreichen international hochkarätig besetzten Eliterennen
am Ende unter den besten Zehn. Zuletzt Anfang Januar belegte er in Magstadt hinter
"Querfeldein-Größen" wie de Clercq, van der Poel und Wim de Vos einen
hervorragenden sechsten Platz. "Steffen hat nicht nur die technischen und
konditionellen Voraussetzungen, sondern vor allem den Willen und den Ehrgeiz, den man
benötigt, um in die Weltklasse vorzustoßen. Es gibt kaum einen Querfeldeinfahrer, der
seine Ziele so konsequent verfolgt", wünscht sich der Bundestrainer mehr Fahrer vom
Kaliber eines Weigold.
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Junioren mit guter
WM-Generalprobe
Schwer einzuschätzen ist, so Dittert, das Leistungsvermögen der
deutschen Junioren. Immerhin verlief die WM-Generalprobe mit einem Sieg durch Markus
Spanke und einem dritten Platz von Benjamin Schwarz im luxemburgischen Mühlenbach
äußerst positiv. Auch die gute Leistung von Sven Häußler bei den Deutschen
Meisterschaften überzeugte den Bundestrainer, der dennoch keine Prognose wagen möchte.
"Radsport findet bei den Junioren im Winter vor allem neben der Schule statt. Sie
fahren verstärkt im Sommer, müssen sich daher im Winter intensiver um Schule und
Ausbildung kümmern." Zudem sind die Teilnehmerfelder in der Juniorenklasse noch
nicht so konstant, jedes Jahr kommen neue Fahrer dazu. So hatte man zum Beispiel die
amerikanischen Querfeldein-Junioren, die 1999 mit Matthew Kelly den Titelträger stellten
und damit für die große Überraschung in Poprad sorgten, im Vorfeld nicht unbedingt zum
Kreis der Medaillenanwärter gezählt.
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Frauen-Premiere
mit deutschen Medaillenchancen
Die Premiere der Frauen bei offiziellen Cross-Weltmeisterschaften
geht der Bund Deutscher Radfahrer aussichtsreich an. Mit Hanka Kupfernagel geht die
erfolgreichste deutsche Radsportlerin an den Start, und ihre Aussichten auf
Medaillenränge sind bestens. Die Rennen um den erstmals in diesem Jahr durchgeführten
Deutschland-Cup dominierte die Berlinerin ganz klar. Bei vier Starts belegte sie vier Mal
Platz eins. Mit ihren Vereinskolleginnen vom BRC Zugvogel Berlin, Regina Marunde und
Sandra Mißbach, erfährt die Weltranglisten-Erste des Vorjahres entsprechende
Unterstützung. Die Teilnehmerinnen in den Querfeldeinrennen kommen übrigens zum
Großteil aus dem Mountainbike-Bereich, und auch hier dürften die Amerikanerinnen und
Italienerinnen bei der Medaillenvergabe ein Wörtchen mitreden.
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Aufschwung
im Cross-Sport durch frühzeitige Orientierung und Kooperation
Nicht nur der Sport steht bei den Weltmeisterschaften im
Vordergrund, auch die Zukunft des deutschen Querfeldeinsports wird Thema von Gesprächen
am Rande der Strecke sein. "Der Querfeldeinsport hat sich in Deutschland in den
letzten Jahren vor allem deshalb zu einer Randdisziplin entwickelt, weil sich die Fahrer
nicht rechtzeitig entscheiden, die Querfeldein-Saison konsequent zu bestreiten. Viele
haben zwar Spaß an den Cross-Rennen, fangen jedoch viel zu spät mit der Vorbereitung
an", nennt Dittert einen der Gründe für das schwache Abschneiden deutscher Crosser
bei Titelkämpfen und internationalen Wettkämpfen in der Vergangenheit. "Bereits im
Juli/August, wenn die Saison für die Straßenfahrer noch in vollem Gange ist, muss die
Entscheidung fallen. Dann muss die Straßensaison abgebrochen werden und die technische
und konditionelle Vorbereitung im Gelände erfolgen", ist Dittert sicher, dass ein
entsprechend höheres Leistungsniveau dann zu einem wesentlich früheren Saisonzeitpunkt
erreicht werden kann. "Während die Trainingsinhalte und -umfänge im Januar/Februar
noch annähernd gleich sind, weisen Art und Belastung des Trainings in den Monaten August
bis Oktober bei Straßen- und Crossfahrern große Unterschiede auf."
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Mehr
Unterstützung durch Profigruppen gewünscht
Einen weiteren Grund für den derzeitigen Abstand zur Weltspitze
sieht Dittert darin, dass die Fahrer der international führenden Nationen häufig über
ein professionelleres Umfeld verfügen. "Als Mitglied in Sportgruppen sind Fahrer wie
zum Beispiel Richard Groenendaal, Adrie van der Poel und Sven Nijs, die alle beim GSI-Team
Rabobank unter Vertrag stehen, das ganze Jahr über beschäftigt und finanziell sowie
materialtechnisch durch Sponsoren abgesichert. Im Sommer haben Sie die Möglichkeit, einen
Teil der Straßenrennen mit zu bestreiten, können sich dann aber frühzeitig ausklinken
und konsequent auf die Querfeldein-Saison vorbereiten", hofft Dittert auch in
Deutschland in Zukunft auf eine stärkere Unterstützung durch die Sportgruppen. "Bei
den nächsten Deutschen Meisterschaften würde ich schon gerne zwei Fahrer im
Telekom-Trikot, zwei im Team Cologne-Trikot und zwei im Gerolsteiner Trikot am Start
sehen", ist der Olympiasieger im Straßenvierer von 1992 sicher, dass sich dies auch
positiv auf Zuschauer- und Medienresonanz auswirken würde. Und auch der
Mannschaftssponsor dürfte sich freuen, wenn sein Trikot auch im Winter in den Medien
erscheint. Allerdings ist man von diesem Zustand in Deutschland zum gegenwärtigen
Zeitpunkt noch weit entfernt. Von den deutschen WM-Startern erfahren lediglich Malte Urban
beim "Team Coast" und Steffen Weigold beim "U23-Team Telekom Jan
Ullrich" professionelle Unterstützung.
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Intensive
Kooperation mit Straßen- und Mountainbikebereich
Eine entscheidende Rolle in der künftigen Arbeit spielt für den
Bundestrainer auch die Kooperation mit den anderen Radsport-Disziplinen innerhalb des BDR.
"Die verstärkte Zusammenarbeit mit dem Straßen- und dem Mountainbikebereich ist
unabdingbar und wird im BDR auch realisiert. U23-Fahrer Hannes Genze ist sowohl im
MTB-Bereich wie auch im Querfeldeinbereich erfolgreich, und im Hinblick auf diese
Weltmeisterschaft verzichtete U23-Straßentrainer Peter Weibel auch auf Björn Schröder,
der in diesen Wochen eigentlich zum ersten Saison-Vorbereitungslehrgang mit Weibel nach
Mallorca sollte.
In Wolfgang Ruser, der schon seit Jahren den Nachwuchs im
baden-württembergischen Landesverband betreut und auf eigene Querfeldein-Erfolge in den
80er Jahren zurückblicken kann, findet Dittert seit kurzem auch Unterstützung in
fachlicher und organisatorischer Sicht. So betreute Dittert die Junioren bei ihrem Start
am vergangenen Wochenende in Luxemburg, während Ruser die BDR-Starter zum Weltcup nach
Nommay begleitete. "Die Schaffung dieser Trainerstelle wird uns in Zukunft eine
bessere Betreuung der Sportler ermöglichen."
In St. Michielsgestel hofft man von BDR-Seite auf jeden Fall auf
einen weiteren Leistungsschub im Nachwuchsbereich, und eine Medaille würde sicher neue
Motivation für Fahrer, Trainer, Veranstalter und Organisatoren des deutschen
Querfeldeinsports bedeuten.