Valkenburg (dpa) - Alte Weggefährten von Jan Ullrich stehen nach dem Desaster um die Doping-Beschuldigungen noch immer unter leichtem Schock. Sie raten ihm: Karten auf den Tisch.
Rolf Aldag, mit dem Ullrich 1997 seinen - aus deutscher Sicht - Jahrhundert-Sieg bei der Tour de France einfuhr, legt seinem ehemaligen Team-Kollegen dringend einen DNA-Test nahe: «Wenn in einer 400-Seelen-Gemeinde alle Einwohner zum Speicheltest aufgefordert werden und einer geht nicht - das ist ja dann wohl ein Schuldeingeständnis.» Jens Heppner, ebenfalls 1997 und danach Ullrich-Helfer und Mitbewohner in den Hotelzimmern bei der Tour, schlussfolgert sicher richtig: «Wenn der Test seine Schuld bestätigen sollte, ist er weg vom Fenster.»
Udo Bölts («Er ist mir als Mensch sympathisch») wünscht ihm Mut: «Wenn er es irgendwann vielleicht zugegeben müsste, dann geht die Welt auch nicht unter. Er muss jetzt aber offensiv damit umgehen». Erik Zabel wollte sich zu dem prekären Fall nicht äußern, «solange nichts bewiesen» ist.
Walter Godefroot, bis zu Vorsaison Team-Manager von T-Mobile davor der Erfinder der professionellen Telekom-Radsportabteilung, will aus «Respekt vor Ullrich» noch nicht urteilen. In Zusammenhang mit der Diskussion um die Zusammenarbeit einiger seiner ehemaligen Fahrer mit umstrittenen Sportmedizinern wies der 63-jährige Sport-Pensionär darauf hin: «Jan hat sich vertraglich zusichern lassen, sich von Luigi Cecchini betreuen zu lassen.»
Um dem Doping-Problem im Sport besser Herr zu werden, ruft Godefroot, in den 60er Jahren selbst ein erfolgreicher Profi, nach der Polizei: «Das kann nur die Justiz, der Sport schafft es nicht mehr.» Das zeigten auch die neuesten Vorfälle. Harte Anti-Doping-Gesetze gibt es nur in Italien, Frankreich und - gerade verabschiedet - in Spanien.
«Viel deutet darauf hin, dass da wohl etwas falsch gelaufen ist», meinte Aldag. Er könnte sich vorstellen, dass sich Ullrich vor dieser Saison durch die großen Erwartungen des Sponsors, der Öffentlichkeit und seines Teams in die Enge gedrängt fühlte: «Vielleicht handelte er aus einer Art Notwehr.» Allerdings sollten jetzt nicht alle Ullrich-Leistungen in Zweifel gezogen werden. «Wäre mir in meiner Zeit etwas komisch vorgekommen, hätte ich ihn bestimmt mal zur Seite genommen», sagte Aldag.
Heppner hat «nichts gemerkt, wir waren ja immer zusammen auf dem Zimmer». Der Thüringer, beim Giro 2002 elf Tage in Rosa, würde sich wundern, «wenn Jan kurz vor dem Ende seiner Karriere so viel riskiert und mit eigenem Blut rumgepanscht hätte». Heppner: «Wenn er das wirklich getan hat, ist er verrückt.»
Als lediglich suspendiertem Fahrer stehen Ullrich von seinem Team weiter seine Bezüge - pro Jahr geschätzte 2,5 Millionen Euro - zu. Zur Zeit weilt der 32-jährige in einer Art bezahltem Urlaub. «Die Anwälte beider Seiten tauschen sich zur Zeit auch darüber aus, wie die Situation arbeitsrechtlich aussieht», sagte T-Mobile- Teamsprecher Stefan Wagner.
Ullrich muss möglicherweise auch um lukrative Sponsorenverträge bangen. Sollten sich die jüngsten Verdächtigungen bestätigen, «wird es natürlich sehr schwer, ihn zu halten», sagte Roland Ott, Pressesprecher des Schweizer Uhrenherstellers IWC. Der Vertrag mit IWC als persönlichem Sponsor soll Ullrich jährlich rund eine Million Euro einbringen. IWC wolle nun in aller Ruhe die Situation analysieren und mit Ullrich sprechen. «Dann entscheiden wir, wie es weiter geht», erklärte Ott.
«Um Geld darf es ihm doch jetzt nicht gehen. Wenn Jan unschuldig ist, muss er alles daran setzen, das zu beweisen. Ein DNA-Test wäre sicher eine gute Möglichkeit. Es geht um sein Image um das, was von seiner Karriere einmal übrig bleiben wird», sagte Aldag, wie Heppner und Udo Bölts, gefragte «Radsport-Experten» der Fernseh-Sender.