Den Haag (dpa) - Mit neuer Leidenschaft will Jan Ullrich sein altes Ziel anpeilen. «Es wäre eine ganz, ganz große Sache, wenn ich die Tour de France noch ein Mal gewinnen könnte.»
«Aber ich will mich nicht mehr unter einen großen Druck setzen und jetzt schon über Rennen spekulieren, die ich 2005 gewinnen will. Ich will wieder die ganze Leidenschaft beim Radfahren spüren - dann kommen die Erfolge von allein», sagte der 30-Jährige in der T-Mobile-Zentrale in Den Haag, wo das alljährliche Teamtreffen der Elite-Radler endet.
«Nach einer mittelprächtigen Saison wie der vergangenen ist es leichter im Jahr darauf, wieder stärker zu sein», glaubt Ullrich, der ausdrücklich betonte, dass es für ihn persönlich wichtig sei, dass sein Dauerrivale Lance Armstrong auch 2005 in Frankreich mit von der Partie ist.
Auch in diesem Jahr konnte der Tour-Vierte Ullrich Armstrongs sechsten Rekordsieg hintereinander bei der Frankreich-Rundfahrt nicht verhindern. Ob der T-Mobile-Kapitän an der Spitze seines Teams mit dem Tour-Zweiten Andreas Klöden, dem Tour-Dritten von 2003, Alexander Winokurow, und dem Neuling Oscar Sevilla (Spanien) Gelegenheit zu einer Revanche an Armstrong bekommt, steht weiter in den Sternen. Der Texaner hat sich noch nicht definitiv geäußert. Vieles deutet aber darauf hin, dass der 33-jährige Armstrong 2005 auf einen Start verzichten wird.
Das glaubt auch Ullrich-Betreuer Rudy Pevenage, der nach den Querelen näher ans Team rücken soll, ohne allerdings wieder den Status eines sportlichen Leiters zu genießen. «Ich bin weiter Jans persönlicher Betreuer, hoffe aber, dass die Animositäten der vergangenen Zeit vergessen sind und die Zusammenarbeit besser klappt», sagte Pevenage in Den Haag. Durch den Streit mit T-Mobile-Manager Walter Godefroot, der sich 2006 zurückziehen wird, waren Pevenages Wirkungskreise beschränkt. Ullrich: «Es wird keinen Gegenwind mehr geben.»
Ullrichs neuer Kronprinz Klöden unterstrich erneut seine Loyalität zu seinem Freund Ullrich, ließ sich aber ein Hintertürchen offen. «Ich will die Form haben, bei der Tour wieder unter die ersten Fünf zu fahren, und Jan geht natürlich als unser Kapitän ins Rennen. Aber das Rennen muss natürlich auch zeigen, ob ich meine Kräfte für Jan, Winokurow oder mich voll einsetzen werde. Das kann man im November noch nicht sagen», erklärte Klöden, der die Chefetage des Teams mit einem monatelangen Vertragspoker auf die Probe gestellt hatte. Hinter Ullrich zählt der Tour-Zweite neben dem nach seinem Treppensturz weiter verletzten Erik Zabel und vor Winokurow zu den Topverdienern im Team, das auch 2005 von T-Mobile wieder mit rund elf Millionen Euro gesponsert wird.
Das teure T-Mobile-Engagement wird aller Wahrscheinlichkeit über die bisher vereinbarte Vertragsdauer bis 2006 fortgesetzt werden, worauf auch der vereinbarte Machtwechsel auf dem Managerposten hindeutet, den Ex-Profi Olaf Ludwig (44) im übernächsten Jahr vom 61- jährigen Godefroot vollständig übernehmen wird. 2005 fungiert der gebürtige Thüringer an der Seite des Belgiers als dessen Assistent.
Auch ohne den angepeilten Toursieg war das Jahr 2004 für T-Mobile «überaus erfolgreich». Auf der Habenseite registrierte Godefroot Klödens zweiten Platz in Paris, Zabels Vize-Weltmeisterschaft, den Sieg Steffen Wesemanns bei der Flandern-Rundfahrt und den Ullrich- Erfolg bei der Tour de Suisse. Insgesamt wurden 25 Siege eingefahren. Im ersten Jahr der neu eingeführten Pro-Tour muss T- Mobile wie alle 20 Elite-Teams bei den wichtigsten 28 Terminen 2005 präsent sein. 27 Fahrer - vier verließen das Team, sechs kamen hinzu - sollen das Mammutprogramm von Februar bis Oktober bewältigen.