Athen (dpa) - Jan Ullrich ist angeschlagen. Kritik wird jetzt sogar im eigenen Lager laut, nachdem der 30-jährige Olympiasieger von Sydney seinen fest eingeplanten Start beim achten Weltcup-Rennen in Zürich abgesagt hatte.
«Im Zeitfahren in Athen hat er sich im Sitzbereich wund gescheuert und kann nicht fahren. Vielleicht lag es an der ungewohnten Hose der Nationalmannschaft. Bei T-Mobile benutzt er sonst ein Spezialleder auf der Sitzfläche», sagt T-Mobile-Teamchef Mario Kummer und lieferte einen ziemlich kuriosen Grund für die Blessur.
Ullrich, der in Athen mit Rang 19 im Straßenrennen und Rang sieben in seiner Spezial-Disziplin Zeitfahren enttäuschte, hatte sich in Zürich Siegchancen ausgerechnet. Am Zürichsee war er schon vier Mal Zweiter. «Auf seine WM-Pläne hat die Absage keine Auswirkungen. Nach einer Pause mit intensivem Training wird er sich endgültig entscheiden, ob er mit Chancen nach Italien fahren kann. Im Moment gehen wir weiter von seinem WM-Start im Oktober aus», meinte Kummer weiter. Allerdings deutet in Ullrichs augenblicklicher Verfassung viel auf einen WM-Verzicht hin.
Ullrich hatte sich wegen seiner Vorstellung in Athen auch Kritik von Manfred von Richthofen, dem Chef des Deutschen Sport- Bundes (DSB), anhören müssen. Zu dem Ullrich-Zitat, für ihn gebe es Wichtigeres als Olympische Spiele, sagte von Richthofen im DeutschlandRadio Berlin: «So jemand soll sagen, dass er woanders mehr Geld verdient und auf einen Start bei Olympia verzichten. Ich muss verlangen, dass derjenige, der an den Start geht, mit vollem Einsatz und auch mit dem Wunsch nach einer Medaille an den Start geht.»
Trotz der Zürich-Absage will Ullrich zwei vertraglich zugesicherte Kriterien am kommenden Wochenende in Heppenheim und Essen bestreiten. In Essen ist ausgerechnet Günther Dahms der Veranstalter. Mit dem ehemaligen Coast-Chef liegt Ullrich im juristischen Clinch und bekam am Mittwoch von der 3. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg das Recht zugesprochen, 1,4 Millionen Euro an Verdienstausfall und Schadenersatz aus der Zeit seiner fünfmonatigen Beschäftigung bei Dahms Anfang 2003 zu fordern.
Ullrich ist derweil in den Boulevard-Zeitungen, die ihm während seines Athen-Aufenthalts Alkohol-Eskapaden und einen heftigen Olympia-Flirt nachsagten, weiter ein großes Thema. Aber auch aus der T-Mobile-Führungsetage wurde in Athen - noch hinter vorgehaltener Hand - Kritik an dem Topangestellten mit Wohnsitz Schweiz laut. Auch sein Betreuer Rudy Pevenage, der zum Zeitfahren ohne Akkreditierung und feste Hotel-Buchung nach Athen gekommen war, zeigte sich enttäuscht: «Am Abend vorher hatte mir Jan noch gesagt, er ist gut drauf und voll motiviert.»