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Zwift-Rennen erfreuen sich gerade in Zeiten der Corona-Krise wachsender Beliebtheit. Foto: Archiv/Mareike Engelbrecht
09.01.2021 10:21
Studie ergibt: Virtuelle Radrennen sind mit traditionellen Straßenrennen vergleichbar

Münster (rad-net) - Die Corona-Krise hat in der vergangenen Saison viel Kreativität von den Verantwortlichen des Radsports erfordert, wodurch die virtuellen Wettbewerbe an Aufmerksamkeit und Relevanz gewonnen haben. In seiner wissenschaftlichen Studie «The show must go on – virtualisation of sport events during the Covid-19 pandemic» hat der ehemalige Profi und heutige Wirtschaftswissenschaftler an der Uni Münster, Dr. Daniel Westmattelmann, untersucht, inwiefern die virtuellen Rennen mit realen Straßenrennen vergleichbar sind.

«Den Anschub zu der Studie hat die Corona-Pandemie gegeben, denn dadurch wurden die Rennen ja zwangsweise virtualisiert. Ich hatte zwar mit dem Projekt schon 2019 grob begonnen, aber als wir bemerkt haben, dass das Ganze doch größer wird, haben wir gedacht, dass es helfen kann mit der Pandemie klarzukommen, wenn wir das wissenschaftlich begleiten können», erklärte der 33-Jährige die Motivation zu seiner Studie im Gespräch mit rad-net. Geplant seien sogar noch weitere Studien, sodass am Ende eine Reihe von fünf bis sieben Ausarbeitungen zu dem Thema zustande kommen könnten.

Die aktuelle Studie zur Vergleichbarkeit von virtuellen Rennen und Straßenrennen teilte das Team um Westmattelmann in zwei Teile auf. Im ersten dieser Teile verglich die Projektgruppe verschiedene Leistungsdaten von virtuellen Rennen mit realen Rennen. Dabei übernahm das Team die Daten der deutschen GCA-Liga sowie der virtuellen Rennen der Tour for All und der Tour de France und verglich sie bei den Männern mit Straßenrennen im Allgemeinen, Bergetappen und Bergankünften der Tour de France sowie Zeitfahren. Bei den Frauen wurde der Vergleich auf Straßenrennen im Allgemeinen und Zeitfahren beschränkt.

Performance-Daten vergleichbar mit Straßenrennen
Bei der Auswertung der Daten stellte das Team um Westmattelmann fest, dass die Performance-Daten (Ausdauer, relativer Power-Output, Herzfrequenz) bei den virtuellen Wettbewerben beider Geschlechter vergleichbar waren mit denen bei Straßenrennen. Damit habe man die Sorge widerlegen können, dass es sich bei den virtuellen Rennen lediglich um Spielereien der Verantwortlichen handle.

Aufgefallen sei hingegen, dass trotz Gleichklang aller anderen Daten, das angegebene Gewicht der Fahrer bei den virtuellen Rennen um durchschnittlich sieben Prozent nach unten abweicht. «Das geht schon fast in Richtung Manipulation», folgerte Westmattelmann gegenüber rad-net. «Da müsste man in Zukunft, wie der BDR es bei der virtuellen Rad-Bundesliga bereits gemacht hat, zum Beispiel Videos aufnehmen, um diese Möglichkeiten zur Manipulation zu unterbinden.»

Im zweiten Teil der Studie unterzog die Gruppe um Westmattelmann elf aktive Profis einer qualitativen Analyse. Voraussetzung für diese Interviews mit drei Fahrerinnen und acht Fahrern, war eine aktuelle Profilizenz bei der UCI sowie eine aktive Teilnahme der Athleten an der virtuellen Rad-Bundesliga 2020 und der realen Bundesliga in den Jahren zuvor.

Im Anschluss an die Interviews wurden die Antworten der Athletinnen und Athleten in vier verschiedene Kategorien unterteilt, um sie vergleichbarer zu machen. Beim organisatorischen Aspekt hoben die Fahrer dabei vor allem die Reduzierung der Kosten und Anreisezeiten positiv hervor, während die Anschaffungskosten der notwendigen Hardware und des Smart Trainers für die virtuellen Rennen als zu hoch kritisiert wurden. Auch die erhöhte Selbstorganisation vor und während der Rennen fand unter den Sportlern Erwähnung, wobei die Reduzierung der sozialen Kontakte während der Corona-Pandemie als sinnvoll betrachtet wurde. Zusätzlich gaben die Fahrer Plattformen wie «YouTube» als modernen Vorteil an, um Livestreams oder Videos freizuschalten, die ihnen selbst, den Teams und den Sponsoren in der Pandemie Aufmerksamkeit verschafft haben.

Beim technologischen Aspekt berichteten die Teilnehmer der Studie von den neuen Schwerpunkten des Equipments. Demnach seien traditionelle Qualitätsmerkmale wie Aerodynamik und Widerstand bei den Rädern in der virtuellen Welt irrelevant, wofür die Qualität der Hardware, Kameras und weiteren notwendigen Applikationen als umso wichtiger eingestuft wurden. Dabei kamen vor allem die verschiedenen Smart Trainer schlecht weg, die laut Fahrern, Einfluss auf die gemessenen Leistungen nehmen. Im Zuge dessen wurden auch die Möglichkeiten zur technischen Manipulation durch Falschangaben beim Körpergewicht hervorgehoben, sowie Kritik am Know-how verübt. Insgesamt kamen die Befragten aber darin überein, dass die virtuellen Rennen mit den realen Wettbewerben im Sinne der physischen Belastung vergleichbar seien.

Der dritte Aspekt der qualitativen Analyse befasste sich mit der traditionellen Seite der Rennen. Hier stellten die Athleten heraus, dass Rituale wie die Teampräsentation oder Siegerehrung, aber auch Zuschauer am Straßenrand während der virtuellen Rennen kaum Relevanz besitzen. Dagegen sei die Wichtigkeit der Interaktion mit den Fans über die sozialen Netzwerke gestiegen, genau wie die Möglichkeit zur Selbstvermarktung. Trotz der neuen Möglichkeiten wurden jedoch auch Zweifel an der künftigen Relevanz der virtuellen Rennen laut, indem ein Teilnehmer beispielsweise erklärte: «Ich würde dem Ganzen noch nicht zu viel Relevanz zusprechen. [...] Für mich ist das wie PlayStation auf dem Fahrrad zu spielen.»

In einer letzten Kategorie der Studie wurden die Bildungsaspekte erwähnt. Traditionelle Taktiken, Teamarbeit und Positionierung seien demnach bei den virtuellen Rennen überholt und brauchten eine Anpassung an die neuen Bedingungen. So müsse zum Beispiel die richtige Verwendung von Power-Ups gelehrt werden, für das die Trainer künftig spezifisches Wissen benötigten. Die Rolle von Datenanalysen werde in den virtuellen Wettbewerben wachsen und bedürfe deshalb Kompetenz der Verantwortlichen.

Gute Alternative, aber kein Ersatz
«Es war wirklich interessant zu sehen, dass die Athleten die virtuellen Rennen als gute Möglichkeit angesehen haben, in der Pandemie fit zu bleiben und die Rennen als Trainingsersatz zu nehmen», folgerte Westmattelmann aus dem zweiten Teil seiner Studie. Insgesamt seien die virtuellen Wettbewerbe durchweg positiv aufgenommen worden, wobei Athleten schon den Wunsch geäußert hätten, dass diese Rennen auch in Zukunft, unabhängig von der Pandemie, als Alternative angeboten würden. «Da war ich schon positiv überrascht, wie gut die Athleten das aufgenommen haben.»

Letztendlich könne man die virtuellen Rennen als «verlängerten Arm des Sports sehen» aus dem sich neben der Straße und Bahn auch eine eigene Disziplin entwickeln könnte, so Daniel Westmattelmann. Mit Hilfe von geplanten weiteren Studien wolle man eine ausführliche Interessensvertreter-Analyse durchführen, um zu testen, welche Möglichkeiten sich für Profiteams, Vereine, Sponsoren und vor allem Athleten ergeben könnten. «Wenn ich an meine eigene Laufbahn zurückdenke, erinnere ich mich, dass meine Eltern mich quer durch Deutschland zu den Wettbewerben fahren mussten als ich noch keinen Führerschein hatte. [...] So könnte man Kadertraining auch mal unter der Woche in der Schulzeit virtuell durchführen und die Jugend somit bei Laune halten.»

Dennoch hätten alle interviewten Profis bestätigt, dass die virtuellen Rennen auf keinen Fall den gleichen Stellenwert wie Straßenrennen oder -training haben. «Wenn sie die Wahl hätten, da waren sich alle einig, würden sie Straßenrennen bevorzugen. Trotzdem sei es eine gute Alternative, gerade in der dunklen Jahreszeit», so Westmattelmann

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