Merdingen (dpa) - Die Operation noch in den Knochen, das Comeback schon im Kopf: Sechs Tage nach einem neuerlichen Eingriff am lädierten rechten Knie hat Olympiasieger Jan Ullrich seine Absicht bekräftigt, nach Ablauf der Doping-Sperre am 23. März 2003 in den aktiven Profi-Radsport zurückzukehren.
«Ich hätte die Operation nicht gemacht, wenn ich keine Lust mehr auf Radfahren hätte. Das sagt eigentlich schon alles», erklärte der 28-Jährige in seinem Wohnort Merdingen am Rande des Abschiedsrennens seiner Freunde Dirk und Mike Baldinger, zu dem er auf Gehhilfen gestützt den Startschuss gegeben hatte.
Ullrich war in silbernen Turnschuhen, modisch-eingerissenen Jeans und eng anliegendem T-Shirt einem Begleitfahrzeug entstiegen, das ihn zum Startbereich chauffiert hatte. Unter dem Jubel der Zuschauer schickte der wegen seiner Tabletten-Affäre gesperrte Tour-de-France- Sieger von 1997 dann sichtlich gut gelaunt seinen früheren Telekom-Kollegen Dirk und den ehemaligen Motorrad-Profi Mike Baldinger zusammen mit 47 weiteren Rad-Profis auf die 60,5 km lange Strecke. Sieger des Goodbye-Race wurde der Vize-Weltmeister im Zeitfahren, Michael Rich (Öschelbronn/Team Gerolsteiner), in 1:24:23 Stunden vor Dirk Baldinger und Jens Heppner (Gera/Team Telekom).
Ein bisschen Wehmut darüber, dass ihm nur das Humpeln mit den lästigen Krücken und nicht seine kraftvollen Pedal-Tritte den Schweiß auf die Stirn trieb, konnte Ullrich später nicht verbergen. «Ich wäre liebend gerne hier mitgefahren», meinte der zweimalige Zeitfahr-Weltmeister, nachdem er sich nach einigen Runden als Zuschauer auf vier Rädern mit seiner Freundin Gaby Weis in den VIP-Bereich zurückgezogen hatte. Auch gesichtet beim Abschiedsrennen: Ullrichs nicht unumstrittener Trainer Peter Becker aus Berlin.
Trotz aller Spekulationen um seine Zukunft beim Team Telekom wirkte Ullrich gelöst und genoss sichtlich das heimische Umfeld und das Treffen mit seinen Berufskollegen. Nach einem fünfwöchigen USA-Aufenthalt und der Operation in München sei er am vergangenen Freitag in Merdingen angekommen. «Mir geht es den Umständen entsprechend gut und ich freue mich, bekannte Gesichter wieder zu sehen», sagte er.
Zugleich machte er aber keinen Hehl daraus, dass er erst am Anfang eines langen Weges steht: «Eingriff ist Eingriff, da hat man schon Schmerzen. Die Operation ist gut verlaufen, aber ich muss jetzt trotzdem aufpassen, dass die Wunde nicht aufbricht. Ich weiß noch nicht, wann ich wieder mit dem Training anfangen kann, aber ich hoffe bald.»
Ob dieser Weg ihn wieder ins Team Telekom führt, wollte der gefallene Star nicht verraten. «Dazu kann und will ich überhaupt nichts sagen», ließ er sich nicht in die Karten schauen. In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass die Bonner an einer Verpflichtung des italienischen Giro-Siegers Paolo Savoldelli sehr interessiert sind und die Vertragsunterschrift kurz bevor steht.
Das deutsche Team Gerolsteiner war zudem auf den Schlagzeilen versprechenden Zug aufgesprungen und hatte Interesse an Ullrich bekundet, falls dieser nicht mehr in Magenta starten sollte. Das Ullrich-Management hatte davor auch die Fühler Richtung Bjarne Riis ausgestreckt, der inzwischen erfolgreich den dänischen Rennstall CSC Tiscali führt. «Wir treffen uns nächste Woche mit Jan. Ich hoffe, er fährt weiter bei uns», sagte Telekom-Manager Walter Godefroot, der den Vertrag mit dem zur Zeit beurlaubten Ullrich modifizieren will.