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Stefan Schumacher trägt jetzt das Gelbe Trikot.
09.07.2008 12:52
«Ungereimtheiten» trüben Schumachers Gelbes Trikot

Cholet (dpa) - Am 13. deutschen Gelben Trikot scheiden sich die Geister. Mit seinem Husarenstreich beim Zeitfahren hat die Tour-Überraschung Stefan Schumacher seinem Gerolsteiner-Team die dringend benötigte Frischluftzufuhr verschafft - zugleich aber wieder die Zweifler auf den Plan gerufen.

«Ein blasses Trikot», titelte das Tour-Zentralorgan «L'Équipe» in Anspielung auf Schumachers zurückliegende Eskapaden. Selbst dessen Teamchef Hans-Michael Holczer räumte ein, dass der 26-Jährige für die Rolle des strahlenden Hoffnungsträgers im Doping-geplagten Radsport nicht hundertprozentig tauge: «Er hat eine Vergangenheit, in der es nicht unbedingt makellos zuging.» Schumacher wollte sich indes seine Hochstimmung nicht trüben lassen. «Jeder träumt von diesem Trikot», sagte der Nürtinger. Alles, was jetzt noch kommt, sei «ein Bonus».

Es ist eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet Holczers Problem-Fall dem Gerolsteiner-Team zum ersten Mal in elf Jahren das «Maillot Jaune» bescherte und zum Faustpfand bei der Sponsorensuche werden könnte. Denn Anfang des Jahres stand Schumachers Arbeitsplatz nach einer Reihe von Skandalen auf der Kippe. Den Höhepunkt bildete im Oktober direkt nach der WM 2007 in Stuttgart ein Autounfall unter Alkoholeinfluss, nach dem die Polizei auch Spuren von Amphetaminen in seinem Blut fand. Erst eine auferzwungene «Spende» an das Nachwuchsteam ermöglichte ihm sein Bleiben. «Er hat mit einem namhaften Betrag für die Imageschädigung bezahlt», erklärte Holczer.

Der Mathematiklehrer ist wieder von der Hoffnung beflügelt, doch noch einen neuen Geldgeber zu finden. «Ich bin mir sicher, dass es mit diesem Team weitergeht», sagte auch Schumacher, dem es nicht in den Kopf will, «dass es zu Ende gehen soll». Nach seinem Sensations-Ritt bei der 95. Tour de France stellte der Amstel-Gold-Race-Sieger des Vorjahres, der mit anderen Rennställen schon erste Gespräche geführt hat, aber auch klar: «Um meine Existenz geht es gar nicht.»

Ohnehin ist es so, dass die «harten Verhandlungen und konfrontativen Gespräche» zwischen Holczer und Schumacher im März 2008 Spuren hinterlassen haben. Drei Stunden nach Schumachers Coup sprach Holczer im Team-Bus von einigen «Ungereimheiten» in der Vita des Nürtingers, die keineswegs «fehlerlos» sei. Als in der «Tagesschau» der ARD, die sich eine kritische Haltung zu Schumacher, Alejandro Valverde und Co. verordnet hat, von einem früheren Doping- Verdacht gegen Schumacher berichtet wurde, konstatierte Holczer: «Damit muss er leben.»

Die ARD, die wie das ZDF 2007 nach dem Doping-Fall Sinkewitz die Live-Übertragung eingestellt hatte, will ihren Stil beibehalten. «Es hat schon erste Reaktionen von Zuschauern gegeben, die uns vorwarfen: 'Wollt Ihr das Gelbe Trikot verunglimpfen'», sagte ARD-Sprecher Rolf-Dieter Ganz auf dpa-Anfrage.

Holczer indes sieht die kritische Berichterstattung als «journalistische Pflicht». Der 54-Jährige scheint selbst gewisse Berührungsängste mit dem ersten Gelben Trikot für Gerolsteiner zu haben. Als ihm am Dienstagabend im Hotel ein Offizieller des Tour- Veranstalters ASO das Paket mit dem Jersey überreichte, nahm Holczer die Glückwünsche der Teamchef-Kollegen trotz elfjährigen Wartens gelassen an und warf nur einen kurzen Blick auf das Objekt der Begierde. Zuvor hatte Schumacher, der bei der Siegerehrung das Trikot küsste, weitaus euphorischer reagiert. «Man sieht die Szene auf dem Podium 1000 Mal im Fernsehen. Jetzt dort selbst zu stehen, ist unglaublich», meinte der frühere Telekom-Fahrer.

Die Liste seiner Verfehlungen ist aber ähnlich lang wie die seiner Erfolge. Schon vor seinem Wechsel zu Gerolsteiner Anfang 2006 gab es erste Irritationen um einen positiven Befund wegen eines angeblich verabreichten Anti-Allergikums. Die vom Bund Deutscher Radfahrer (BDR) verhängte Sperre hob der Weltverband UCI wieder auf. Vor der WM 2007, bei der Schumacher Ende September Dritter wurde, wurden bei ihm erhöhte Blutwerte festgestellt. «Drei Spezialisten haben mir versichert, es kann nicht manipuliert gewesen sein», erklärte Holczer. Zu allem Überfluss fuhr der Arztsohn wenige Tage später betrunken und mit Spuren von Amphetaminen im Blut gegen einen Zaun.

Grund genug für die internationalen Journalisten, Schumacher bei der Pressekonferenz nach Parallelen zum Fall von Tom Boonen, der wegen eines positiven Kokain-Tests von der Tour ausgeladen worden war, zu fragen. Doch der nationale Nachfolger von Linus Gerdemann, der im Vorjahr einen Tag Gelb trug, wiegelt ab: «Ich finde, man kann die beiden Fälle nicht vergleichen.» Sein Test sei nicht von einem Sport-Verband oder einer Anti-Doping-Agentur vorgenommen worden. Holczer betonte, dass der «Fall Schumacher» - anders als der des belgischen Ex-Weltmeisters Boonen - abgeschlossen sei.

Doping-Kronzeuge Jörg Jaksche, der den Radsport «mit grundsätzlicher Skepsis» betrachtet, hofft, dass Schumacher seinen Sieg clean herausgefahren hat: «Ich habe keinen Grund, an dieser Leistung zu zweifeln. Ich hoffe, dass sie sauber ist.»


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