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05.05.2006 15:52
Ullrich: Giro als Trainingslager

Lüttich (dpa) - Der Veranstalter grummelt, aber Jan Ullrich kann nicht anders: Für den 32-jährigen T-Mobile-Kapitän ist der in Lüttich beginnende 89. Giro d'Italia nichts anderes als ein dreiwöchiges Trainingslager unter erschwerten Bedingungen.

«Ich versuche, die Tour de France gewinnen - ich sage nicht: ich werde. Es gibt kein besseres Vorbereitungsprogramm, als den Giro durchzufahren. Die schweren Bergetappen zum Schluss brauche ich nach meinem verspäteten Saisoneinstieg», sagte Ullrich 24 Stunden vor dem Start der Italien-Rundfahrt in Belgien im Mannschafts-Quartier in Riemst.

In der familiären Atmosphäre dort fühlte sich der Wahlschweizer bei sommerlichen Temperaturen und neuerdings wieder mit sportlicher Kurzhaar-Frisur besonders wohl. Das Hotel gehört praktischer Weise der Ehefrau des T-Mobile-Teamleiters Valerio Piva. Der abergläubige Ullrich fragte nach dem Training drei Mal nach: Bei seinem zweiten Giro-Start ziert ihn tatsächlich die höchste Startnummer aller Teilnehmer: 219. Aber der Toursieger von 1997 macht sich nach dem zwangsläufig verzögerten Saisonbeginn nach seiner Kniereizung vor 14 Tagen ohnehin keine Illusionen. Alles ist dem großen Ziel Tour de France untergeordnet.

«Es ist noch machbar, die Tour zu gewinnen - eventuell», sagte Ullrich, bei dem eine gehörige Portion Skepsis mitschwingt. Das hat sicher auch mit den bereits erbrachten Leistungen seiner vermeintlichen Haupt-Konkurrenten Ivan Basso, Alexander Winokurow, Floyd Landis etc. zu tun. Aber seinen Optimismus hat Ullrich beim der Hatz nach seiner Form längst nicht verloren: «Ich fühle mich heute wohler als vor zwei Wochen, als ich in die Tour de Romandie ging. Es läuft bei mir von Tag zu Tag besser.» Sein Mentor Rudy Pevenage erwartet beim Giro «Woche für Woche eine Steigerung».

Team-Manager Olaf Ludwig hat vor dem mit einem 6,2 Kilometer langen Prolog in Seraing vor den Toren Lüttichs beginnenden Giro klare Vorstellungern: «Wir wollen hier nicht gewinnen. Er ist für einige Fahrer der entscheidende Baustein für die Tour. Aber unsere Sprinter Olaf Pollack und André Korff sowie Michael Rogers im Zeitfahren haben Chancen auf vordere Platzierungen». Der dreifache Zeitfahr-Weltmeister aus Australien spekuliert sogar auf einen möglichen Etappensieg beim einzigen langen Einzelzeitfahren über 50 Kilometer am 18. Mai in Pontedera: «Klar versuche ich da, auf Sieg zu fahren. Ich bin im Moment bei etwa 90 Prozent meines Leistungsvermögens», sagte Rogers.

Die Marschroute Ullrichs für die kommenden 23 Tage steht fest - die danach auf dem Weg zur Tour noch nicht. «Wir wollen dann noch einige Berg-Etappen in Frankreich abfahren, und auch die Asturien-Rundfahrt wäre noch eine Möglichkeit, wenn Jan noch Wettkampf-Kilometer braucht. Ob er bei den deutschen Meisterschaften am Start ist, wissen wir noch nicht», erklärte Pevenage, der vor der letzten, schwierigsten Giro-Woche so seine Bedenken hat: «Natürlich gehen wir an den Start, um durchzufahren. Aber die letzten Tage sind verdammt sehr, sehr schwer. Es wird auch wichtig sein, was wir für Wetter haben. Es gab schon Giro-Etappen im Schnee.»

Den Kraftakt eines Ivan Basso, der das Double Giro/Tour will, das zuletzt der 2004 verstorbene Marco Pantani schaffte, würde sich Ullrich ohnehin nicht zutrauen: «Das könnte ich nicht. Wenn Ivan sich den Sieg in beiden Rundfahrten zutraut, zeugt es davon, dass er sehr überzeugt von sich ist». Der Italiener aus dem Bjarne Riis-Rennstall gilt nach Rang drei 2004 und Rang zwei 2005 als vielleicht aussichtsreichster Kandidat für das Armstrong-Erbe bei der Tour.


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