Karlsruhe (dpa) - In der Hochzeit des EPO-Dopings galt der Radprofi Bjarne Riis als dringend tatverdächtig. Als Team-Manager sind seine Methoden zumindest auch diskutabel. Aber der Erfolg hat den inzwischen 41-jährigen Toursieger von 1996 bisher nicht verlassen.
Seine Fahrer vom dänischen CSC-Team schwören auf den großen Motivator und Tüftler aus Herning. «Ohne ihn hätte ich nicht diese Erfolge», sagt der Berliner Jens Voigt. Der Vorjahres-Dritte Ivan Basso (Italien) schwärmt von der besonderen Atmosphäre im Team und dem Einfühlungs-Vermögen seines Vorgesetzten: «Nach dem Tod meiner Mutter hat er mir sehr geholfen.»
Riis, der durch seinen Tour-Erfolg 1996 das Telekom-Team am Leben erhielt und Jan Ullrich den Weg ebnete, gehört zur neuen Generation der Sportlichen Leiter. Wie Armstrong-Partner Johan Bruyneel. Er schaut über den Tellerrand. «Mein Verständnis von unserem Sport beschränkt sich nicht darauf, alles zu tun, um schnell zu fahren. Es geht darum, eine Gruppe unter Gewährleistung humanitärer Grundsätze zu leiten», sagte Riis, der drei Jahre nach seinem Debüt als Sportlicher Leiter die Team-Wertung der Tour gewann. Allerdings zögert sein Sponsor zur Zeit mit der Vertragsverlängerung, obwohl es positive Signale gebe, wie die Teamleitung mitteilt.
Um den Teamgeist zu fördern, ließ Riis in einem dänischen Militärcamp im Winter eine Art Überlebenstraining mit Übernachtungen im Freien und geringster Nahrungsaufnahme absolvieren. Die Auswertung der Erkenntnisse nahm er mit einem ehemaligen Offizier der dänischen Armee mit Geheimdiensterfahrung vor. «Wenn man die Leute in Stresssituationen beobachtet, dann weiß man, wie sie sich später im Rennen verhalten», erklärte Riis, der Kurt-Asle Arvesen, Bobby Julich und Voigt nach den Camp-Erfahrungen Führungsqualitäten attestierte. 2003 ließ der eiserne Däne die Radprofis nachts zwei Kilometer vor der Küste Teneriffas aussetzen. Nichtschwimmer Basso musste sich blind auf seine Kameraden verlassen.
Mit dem Italiener, der seinen Chef vor der Tour mit seiner Familie in dessen Haus in der Toskana besuchte, hat Riis in den nächsten zwei Wochen noch Großes vor. «Er hat sich im Zeitfahren dramatisch verbessert. Wir haben auf der Bahn in Büttgen trainiert und seine Muskulatur ist jetzt auch so, dass er länger höhere Gänge treten kann, ohne, dass er an Muskelmasse zunehmen musste. In den Bergen war er schon im Vorjahr der einzige, der mit Armstrong mitgehen konnte», sagte Riis, der vor zwei Monaten mit dem 23-jährigen Linus Gerdemann das wahrscheinlich größte deutsche Talent an Land gezogen hat.
«Das ist ein ganz toller Junge, vielleicht fährt er im September schon die Vuelta und im nächsten Jahr die Tour. Mich wundert, dass ihn kein großes deutsches Team haben wollte. An Linus werden wir noch viel Freude haben», schwärmte Riis, dessen Export aus Münster sich sofort mit einem Etappensieg bei der Tour de Suisse ins große Profi- Business einführte.