Charleroi (dpa) - Die Bedenken sind noch immer groß, die bisherigen Resultate jedoch ermutigend. Die Rad-Profis vom Team Gerolsteiner sind auf bestem Weg, ihr Trauma bei der Tour de France zu überwinden.
Zwölf Monate nach dem ernüchternden Debüt des deutschen Rennstalls bei der Frankreich-Rundfahrt schickt er sich diesmal an, die große Bühne zur Werbung in eigener Sache zu nutzen. «Im Vorjahr haben wir die ganze Härte der Tour zu spüren bekommen, das wollen wir in diesem Jahr korrigieren», sagte Teamchef Hans- Michael Holczer.
Alle Sorgen um eine ähnliche Pechsträhne wie 2003 erwiesen sich zumindest in den ersten Tour-Tagen als unbegründet: Vor allem Neuzugang Danilo Hondo sorgte für zufriedene Gesichter. Selbstbewusst nahm der schnelle Mann, der aus Cottbus stammt und jetzt in Lugano lebt, das Grüne Trikot des Punktbesten und einen Etappensieg ins Visier. Beim Prolog stelle er mit seinem 21. Platz nur 19 Sekunden hinter dem Schweizer Sieger Fabian Cancellara vielversprechende Form unter Beweis. Nur 24 Stunden später sprintete er im Ziel der 1. Etappe als Vierter über die Ziellinie in Charleroi.
Bereits im Frühjahr hatte Gerolsteiner im Zweikampf um die Gunst der deutschen Radsportfans reichlich Boden auf das populärere Team T-Mobile gutgemacht. Erfolge von Spitzenfahrer Davide Rebellin (Italien) beim Amstel Gold Race, Flèche Wallonne und bei Lüttich-Bastogne-Lüttich sowie der famose Auftritt von Jungstar Fabian Wegmann beim Giro d'Italia ebneten den Weg in den Kreis der Spitzenteams. Doch damit mag sich Holczer nicht zufrieden geben: «Nachdem, was wir im Frühjahr geleistet haben, ist der Druck eigentlich weg. Aber wir sind nicht in Frankreich, um Urlaub zu machen.»
Der mühsam erarbeitete gute Ruf soll bei der Tour nicht erneut Schaden nehmen. Neben Sprinter Hondo setzt Holczer auf den Bergspezialisten Georg Totschnig. Der Vorjahres-Zwölfte aus Österreich liebäugelt mit einem einstelligen Rang im Gesamtklassement und fühlt sich nicht zuletzt nach seinem viel versprechenden Auftritt bei der Tour de Suisse für den Showdown in der Bergen zum Ende der Frankreich-Rundfahrt bestens gerüstet. Seinen Kopf hat er kahl geschoren, als gelte es, im Hochgebirge auf jedes überflüssige Gramm zu verzichten.
Noch vor einem Jahr zahlte das Team von Tour-Beginn an Lehrgeld: Lediglich drei Gerolsteiner Profis rollten am Ende über die Pariser Champs-Elysées. Schon bei der ersten Etappe bekam Olaf Pollack zu spüren, von welch immenser Bedeutung die große Schleife für die meisten Fahrer ist. Sichtlich geschockt trug er sein Rad nach einem Sturz über die Ziellinie und klagte: «Die fahren hier auf Leben und Tod.» Seinen Teamgefährten Uwe Peschel (Scheidegg) erwischte es auf der vorletzten Etappe beim Einzelzeitfahren. Mit zwei gebrochenen Rippen musste er den Traum von einer Zielankunft in Paris begraben. Die Ärzte mussten ihn fast festhalten und am Start zum Tour-Finale hindern.
Solch leidvolle Erfahrungen will sich Tour-Neuling Wegmann ersparen. Nach seinem überraschend starken Auftritt beim Giro, bei dem er als erster Deutscher das Grüne Trikot des besten Bergfahrers gewann, sollte der 24-Jährige eigentlich kürzer treten. Doch die Verletzung des Schweizers Markus Zberg beförderte ihn kurzerhand ins neunköpfige Tour-Aufgebot. Seither steht das Telefon des Jungstars aus Münster nicht mehr still. «Hier ist alles ein bisschen größer. Allein die Nominierung für die Tour zählt offenbar mehr als mein Trikot beim Giro», sagte er.