Zürich/Berlin (dpa) - Lieber ein Triumph vor der Haustür als ein Trip nach Übersee: Nach drei zweiten Rängen nimmt Jan Ullrich bei der Meisterschaft von Zürich den nächsten Anlauf auf den ersten deutschen Sieg seit 1987.
Sollte Ullrich das Weltcuprennen nahe seines Schweizer Wohnsitzes tatsächlich gewinnen, wird der 29- Jährige möglicherweise nicht mehr zur Straßen-Weltmeisterschaft im Oktober nach Kanada fliegen. «Die Chancen für einen WM-Start liegen etwa bei 50:50», sagt sein Intimus Rudy Pevenage, mit dem er in der kommenden Woche über die weitere Planung entscheiden will.
Zur WM-Vorbereitung würde wohl auch ein Start bei der Spanien-Rundfahrt im September zählen. Dies würde weitere drei Wochen Trennung von der Familie bedeuten. Nach seinem sensationellen Comeback mit Platz zwei bei der Tour de France und Rang drei beim Weltcuprennen in Hamburg fühlte sich Ullrich zuletzt jedoch müde. Der Olympiasieger und zweimalige Zeitfahr-Weltmeister erholte sich in Scherzingen am Bodensee bei Lebensgefährtin Gaby Weis und Tochter Sarah Maria von den Strapazen der vergangenen Wochen.
In Zürich ist er aber heiß darauf, sich als fünfter Deutscher nach Rolf Gölz (1987), Dietrich Thurau (1978), Hennes Junkermann (1957) und Adolf Huschke (1923) in die Siegerliste einzutragen. «Jan will ein gutes Rennen fahren und hat zuletzt bei sich zu Hause hart trainiert. Er ist motiviert und in guter Form», sagt Pevenage.
Als Hauptkonkurrent sieht der Sportliche Leiter des Teams Bianchi erneut Paolo Bettini, dem in diesem Jahr mit drei Weltcup-Siegen schon eine Rekordmarke gelungen ist. Bettini bezwang Ullrich zudem schon 2001 in Zürich und war dort im Vorjahr Zweiter. Sollte Italiens Meister seinen Rekord bei der 90. Züri-Mezgete ausbauen, dürfte ihm der erneute Erfolg in der Gesamtwertung kaum noch zu nehmen sein. Pevenage warnt zudem vor weiteren Fahrern aus Italien und Spanien, die sich nach dem angekündigten Rückzug der Rennställe Once-Eroski und Ibanesto für andere Teams empfehlen wollen.
Der Belgier steht nach eigenen Worten seinerseits mit vier potenziellen künftigen Co-Sponsoren für das Bianchi-Team in Kontakt. Auch dort könnte eine Entscheidung in der nächsten Woche fallen. «Ich bin ganz sicher, dass es mit Bianchi und einem potenten Co-Sponsor weitergeht. So hat sich auch Jan unmissverständlich geäußert», sagt Pevenage. Sobald der neue Geldgeber feststehe, könnten die Verpflichtungen von drei namhaften Fahrern abgeschlossen werden. Ein Sieg von Ullrich in Zürich wäre daher willkommene Werbung.
Ein Duell gegen Lance Armstrong wird es in diesem Jahr nicht mehr geben, der Tour-Sieger erholt sich in seiner spanischen Wahlheimat Girona. Dafür starten der Tour-Dritte Alexander Winokurow und wohl auch der viertplatzierte Tyler Hamilton beim 237 km langen Rennen in Zürich. Winokurow ist nach seinen tollen Erfolgen in diesem Jahr allerdings müde. «Ich gebe immer mein Maximum», erklärte der Kasache, «mein Akku ist langsam schon ein bisschen leer.»