Hannover (dpa) - Die Euphorie um Jan Ullrich kennt keine Grenzen. Bei seinem ersten Deutschland-Start nach dem sensationellen Tour de France-Comeback trug eine Woge der Begeisterung den Tour-Zweiten zum Sieg bei der «Nacht von Hannover».
Bis zu 85 000 Zuschauer - so die Schätzungen der Polizei - feierten den 29-jährigen Radprofi, der das Rundstreckenrennen um die Markthalle in der «Kanzlerstadt» bereits zum vierten Mal gewann. «Wenn ich eingeladen werde, komme ich gerne wieder», versprach der Olympiasieger seinen Fans. Die 62 Km unter Flutlicht auf dem engen, nur 620 Meter langen Kurs gefallen ihm und dem Publikum. «Das ist ein schöner Termin. Es ist ungewöhnlich, um Mitternacht ein Rennen zu fahren, da liegt Volksfeststimmung in der Luft», erklärte der Bianchi-Profi. Er selbst hat die Rolle des «Volkshelden» übernommen und präsentierte sich als Sportstar zum Anfassen.
Obwohl er kaum in sein Hotelzimmer gelangen konnte, erfüllte Ullrich geduldig die Wünsche der zahlreichen Autogrammjäger. Wo immer er auftaucht, ob im Flugzeug, in der Hotelhalle oder auf der Rennstrecke, die Sympathien der Menschen sind ihm gewiss. Eine Million e-mails, so Manager Wolfgang Strohband, habe er bei der Tour am Tag des letzten Zeitfahrens erhalten. «Alle sind nett, das freut mich riesig. Rad fahren macht wieder Spaß. Heute mache ich Dinge überlegter als früher, nicht mehr so spontan», berichtete Ullrich.
Auch im Umgang mit den Medien ist er viel lockerer und offener geworden. Freimütig gewährte der stolze Familienvater Einblicke in sein Privatleben, das nach der Geburt von Tochter Sarah Maria vor fünf Wochen zu kurz kommt. «Meine Freundin Gaby kümmert sich um alles. Ich muss meinen Schatzi nur etwas knuddeln und knutschen und würde viel öfter zu Hause bleiben», sagte der im schweizerischen Scherzingen lebende Tour-Sieger von 1997: «Die Schweizer sind etwas zurückhaltender. Ich werde dort in Ruhe gelassen.»
Die neue Offenheit macht Ullrich schnelle Beine. Der Erfolg in Hannover, wo er vor Lokalmatador Grischa Niermann, Weltmeister Mario Cipollini (Italien) und Erik Zabel (Unna) siegte, war nach Platz eins im niederländischen Stiphout bereits sein zweiter Sieg nach der Frankreich-Rundfahrt. Zuvor hatte er in diesem Jahr «Rund um Köln» und das erste Zeitfahren der Tour für sich entschieden.
Zu Gerüchten über eine Rückkehr ins Team Telekom äußerte sich der Bianchi-Profi zurückhaltend. «Mein Ziel ist es, gute Sponsoren zu finden, damit es mit Bianchi weiter geht. Es gibt viele Anfragen von Fahrern, die mich unterstützen wollen. Aber das Potenzial eines Teams hängt vom Budget ab», sagte Ullrich zwei Tage vor dem Weltcup-Rennen in Hamburg.
Rundstreckenrennen über 62 km:
Rang | Name Zeit | |
1. | Jan Ullrich (Scherzingen/Schweiz) | 1:19:46 Std. |
2. | Grischa Niermann (Hannover) | gleiche Zeit |
3. | Mario Cipollini (Italien) | + 1 Sek. |
4. | Erik Zabel (Unna) | gleiche Zeit |
5. | Thorsten Wilhelms (Hannover) | gleiche Zeit |
6. | Olaf Pollack (Cottbus) | + 2 Sek. |