Paris (dpa) - Läppische zwei Sekunden fehlten Jan Ullrich zum Gelben Trikot. Doch einen besseren Auftakt zur 90. Tour de France hätte sich der Sieger von 1997 dennoch kaum wünschen können. Platz vier beim Prolog in Paris und erstmals ein besserer Auftakt in Frankreich als Top-Favorit Lance Armstrong haben den Glauben des 29- Jährigen in die wiedergefundene Stärke nach einem schwarzen Jahr 2002 noch einmal spürbar gesteigert.
«Ich bin dabei. Das gibt viel Selbstvertrauen und sehr viel Moral», verkündete Ullrich «superzufrieden» vor dem Bus seines neuen Teams Bianchi und schien seine Freude dabei fast ein wenig zu unterdrücken.
Der Australier Bradley McGee schlüpfte beim 100. Tour-Geburtstag als erster Fahrer in das «Maillot Jaune». McGee hatte nach 6,5 km in 7:26,16 Minuten winzige acht hundertstel Sekunden Vorsprung auf den Schotten David Millar, der den Sieg durch technische Probleme am Schluss verschenkte. Der Baske Haimar Zubeldia lag als Dritter in 7:28,252 Minuten 14 Tausendstel vor Ullrich. «Ich wollte etwas Besonderes für Sarah-Maria leisten», sagte der Bianchi-Kapitän, seit Dienstag Vater einer Tochter. «Das war vielleicht Jans bester Prolog in sechs Touren. Aber viel Bedeutung auf den weiteren Verlauf hat das nicht. Es ist aber ein gutes Zeichen», freute sich auch sein Betreuer und Teamchef Rudy Pevenage.
Der viermalige Toursieger Armstrong (7:33,55) enttäuschte sich selbst mit Platz sieben und lag sogar noch hinter seinem Ex-Helfer und jetzigem Konkurrenten Tyler Hamilton, ebenfalls aus den USA. «Ich war wahrscheinlich nicht gut genug vorbereitet und bin ein bisschen enttäuscht. Es war sicher ein Fehler, den Kurs vorher nicht zu kennen. Aber wir haben ja noch einen langen Weg vor uns und sind in einer guten Ausgangsposition», sagte der Texaner, der entgegen seiner Ankündigung nicht im Dress seiner Mannschaft US Postal gestartet war. Auf Bitte von Tour-Direktor Jean-Marie Leblanc trug Armstrong ein Gelbes Trikot mit den Initialien von Rundfahrt-Gründer Henri Desgrange.
Ullrich gab auf der Stadtrundfahrt im Zentrum von Paris wie angekündigt «Vollgas» und hatte mit der Strecke weniger Schwierigkeiten als viele Konkurrenten. «Ich war überrascht, was für ein schöner Kurs das war. Es gab keine engen Kurven, man musste nicht so hohes Risiko gehen», sagte Ullrich. Er habe «natürlich nicht« gedacht, vor Armstrong zu landen, relativierte bei aller Freude aber auch den gelungenen Auftakt zu seiner siebten Schleife durch Frankreich: «6,5 Kilometer heißen noch gar nichts und sind kein Maßstab. Jetzt fängt die Tour erst richtig an.» Auf der 1. Etappe nach Meaux wollte der Olympiasieger ohne Rückstand ins Ziel kommen.
Seine Popularität scheint trotz aller Probleme im vergangenen Jahr ungebrochen. Die Fans am Straßenrand feuerten den zweifachen Zeitfahr-Weltmeister an, viele applaudierten, als Ullrich nach einem kurzen Zwischenstopp am Mannschaftsbus in einem Teamauto fast fluchtartig das Stadtzentrum verließ. Um das Auto hatte sich in der Schlussphase des Prologs eine Menschentraube gebildet, weil auf dem Miniatur- Fernseher im Wagen die Übertragung des Prologs zu sehen war.