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23.03.2003 11:40
Bettini machte den größten Sprung - Zabel im Schatten

San Remo (dpa) - Die vermeintlichen Hauptdarsteller Erik Zabel und Mario Cipollini standen beim 94. Mailand-San-Remo im Schatten der «Grille». Der Weltcup-Gesamtsieger Paolo Bettini, so genannt, «weil er die größten Sprünge macht», wie die «Gazzetta dello Sport» erklärte, stahl ihnen nach 294 km die Show.

Sein Sieg vor vier Landsleuten - darunter Rad-Weltmeister und Geburtstagskind Cipollini - verwirrte besonders den deutschen Weltranglisten-Spitzenreiter, der diesmal mit Rang 6 zufrieden sein musste. Zabel wollte sich nach der Zieldurchfahrt auf der Via Roma in San Remo den Weg zur Siegerehrung bahnen, auch wenn er dort nach seiner Platzierung als Dritter im Spurt des Hauptfelds hinter Cipollini und Dario Pieri nicht unbedingt erwartet wurde. Der Reflex nach vier Siegen und einem 2. Platz in den vergangenen sieben Jahren auf der ihm so vertrauten Piste war verständlich: «Als wir di Luca auf dem letzten Kilometer eingeholt hatten, dachte ich, wir spurten um den Sieg.» Die drei Ausreißer davor waren ihm entgangen.

Auch in Zeiten der Verkabelung zwischen Teamleitung und Fahrern war die Konfusion in der hektischen Schlussphase perfekt. «In dieser Situation hätte es nichts genützt, ihm noch den genauen Stand durchzufunken - das Rennen war sowieso gelaufen», klärte der neue Telekom-Sport-Direktor Mario Kummer auf. Aber Zabel, nach dem Rennen mehr froh, alles hinter sich zu haben, als traurig über sein Abschneiden, konnte sich trösten: Der kleine Bettini war alles andere als ein Zufallssieger.

Der zweifache Gewinner von Lüttich-Bastogne-Lüttich und Sieger der Meisterschaft von Zürich 2001 (vor Jan Ullrich) war bei herrlichem Frühlingswetter der Stärkste von allen 194 Teilnehmern, die am Start einen Friedensappell unterschrieben hatten. Zwei kraftvolle Attacken an den letzten beiden Hügeln vor dem Ziel, Cipressa und Poggio, bescherten Bettini zu Recht den wichtigsten Erfolg seiner Karriere.

Sogar Cipollini, der so gern als fünfter Profi im WM-Trikot in San Remo gewonnen hätte, gratulierte an seienm 36. Geburtstag artig: «Bettini hat mir bei der Weltmeisterschaft in Zolder geholfen - das macht meine Niederlage heute weniger bitter.» Auch Zabel erkannte neidlos an: «Am Poggio konnte ich mit Bettini nicht mitgehen.»

Anders als Telekom haderte das Gerolsteiner-Team mit dem Schicksal. Taktische Winkelzüge hatten eine vermeintlich aussichtsreiche Ausgangsposition des Gerolsteiner-Kapitäns Davide Rebellin in einer Ausreißergruppe an der Cipressa durchkreuzt. «Wir wären weg gekommen, wenn Winokurow mitgemacht hätte», schimpfte der Italiener nach dem Rennen. Auch Bettini, der sich kurz danach und anders als Rebellin noch ein zweites Mal aufraffen konnte, bestätigte die Inaktivität des Telekom-Vize-Kapitäns Winokurow.

«Wir hatten 'Wino' über Funk gesagt, keine Führungsarbeit zu leisten. Die Zusammensetzung der Gruppe war so, dass er im Endspurt keine Chance auf den Sieg gehabt hätte», erklärte Kummer, der den Gewinner von Paris-Nizza so bremste und den Ausreißversuch 25 km vor dem Ziel mit scheitern ließ.

15 km davor hatte es einen bösen Sturz gegeben, der 13 Tage nach dem tödlichen Unfall des Kasachen Andrej Kiwilew bei Paris-Nizza Schlimmstes befürchten ließ. Der Slowene Martin Derganc lag wie leblos auf dem Asphalt und erlitt einen kurzen Atem- und Herzstillstand. Die Untersuchung im Krankenhaus von Imperia ergab aber keine Schädelverletzungen. Der Team-Kollege von Cipollini wurde mit einer Gehirnerschütterung wieder entlassen. Sein Teamleiter brachte ihn abends in San Remo wieder ins Hospital - um das gebrochene Schlüsselbein richten zu lassen.


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