Peyragudes (dpa) - Als sich die Doping-Aufregung um Fränk Schleck etwas gelegt hatte, schlug Alejandro Valverde zu. Der umstrittene Spanier feierte auf der 17. Etappe der Tour de France den ersten großen Erfolg seit seiner Rückkehr aus der zweijährigen Sperre zu Jahresbeginn.
Auf dem nebelverhangenen Peyragudes rettete der Tagesschnellste einen 19-Sekunden-Vorsprung auf das wieder einmal famose Spitzenduo Bradley Wiggins und Christopher Froome ins Ziel. Die beiden Sky-Profis hatten die Konkurrenz auf dem letzten Hochgebirgsabschnitt fest im Griff - für Wiggins ist wohl die letzte große Hürde auf dem Weg zum Tour-Triumph aus dem Weg geräumt.
Wiggins baute seine Vorsprung im Gesamtklassement auf Vincenzo Nibali auf 2:41 Minuten aus und konnte sich dafür vor allem beim treuen Helfer Froome bedanken. Dieser hätte den Kapitän auf den letzten Kilometern locker stehen lassen können. Der Shootingstar blieb zwar bei Wiggins, demonstrierte aber seine derzeit überragende Stärke und ebenso seine Kapitänsambitionen für das nächste Jahr.
Auch nach dem Zieleinlauf gab Froome den selbstlosen Edelhelfer. «Ich habe keinen Gedanken an meinen möglicherweise verpassten Etappensieg verloren», beteuerte der Brite. «Ich bin hier, um Bradley zu helfen. Bei der letzten Attacke am Berg habe ich ihm zugerufen: "Los komm! Wir haben einen kleinen Vorsprung - nimm alle Kräfte zusammen!"» Den 32-jährigen Wiggins trennen nur noch 396 Kilometer vom ersten Sieg eines Briten in 109 Jahren Tour de France.
«Ich habe Christopher kaum noch gehört, ich war in einer anderen Welt», erzählte Wiggins, der vor allem beim Zeitfahren am Samstag zu den großen Favoriten auf den Tagessieg zählt. «Vielleicht habe ich die Tour gewonnen, aber ich muss mich weiter konzentrieren.» Auch sein Adjutant warnte: «Bei der Tour kann immer alles passieren. Es ist noch nicht gewonnen.» Dennoch war die Erleichterung den beiden Teamkollegen auf 1605 Metern Meereshöhe ins Gesicht geschrieben.
Bei Valverde, der wegen Stürzen in der ersten Tour-Woche «schon an Aufgabe gedacht» hatte, flossen gar Tränen, als er sich nach 143,5 Kilometern zum Tagessieger aufschwang. «Ich bin voller Emotionen. Das war heute ein Haufen Arbeit für mich und das Team», sagte der Spanier, der zu seiner Doping-Vergangenheit schwieg. Trotz hartnäckiger Reporterfragen kam ihn nur ein schales Statement über die Lippen: «Man muss gegen Doping sein - was soll ich sagen?»
Der letzte Tag im Hochgebirge der Pyrenäen mit sechs zum Teil knüppelharten Steigungen hatte es wieder in sich. Zwar waren die Temperaturen im Vergleich zum Vortag um rund 20 Grad gefallen, trotzdem ging es besonders im Achterbahn-Finale beim Doppelanstieg auf den Peyresourde und Peyragudes heiß her. In der Verfolgung des ausgerissenen Valverde schenkten sich die Topfahrer nichts. Auf den letzten acht Kilometern gab es einen Schlagabtausch - aber Wiggins und Froome hielten erst souverän stand, führten dann Regie und konnten Nibali und alle anderen sogar abschütteln.
Der unangenehmste Anstieg war die Kletterpartie auf den Port de Balès, auf dem Alberto Contador 2010 Andy Schleck nach einem Kettenschaden wenig gentlemanlike angegriffen hatte. Besonders die Abfahrt Richtung Peyresourde war auf der extrem schmalen und steilen Straße durch Nebelschwaden hindurch fast lebensgefährlich.
Beim Aufstieg hatte die italienische Liquigas-Mannschaft um Nibali und den zweifachen Giro-Gewinner Ivan Basso das Tempo erhöht, um Wiggins in Verlegenheit zu bringen. Aber der Mann im Gelben Trikot blieb wie immer cool und avancierte zum großen Sieger.