Morzine-Avoriaz (dpa) - Nach 20 Jahren droht Deutschland der Absturz aus der Beletage des internationalen Profi-Radsports. Denn die Sponsorensuche des Dortmunder Milram-Teams, das verzweifelt einen neuen Geldgeber für die kommende Saison sucht, ist bislang ohne Aussicht auf Erfolg geblieben.
Mittlerweile scheint Teamchef Gerry van Gerwen so verzweifelt, dass er sich an einen winzigen Strohhalm klammert: Ein Umdenken des aktuellen Geldgebers Nordmilch. «Jetzt und heute kann uns nur Milram helfen», sagte der Niederländer der Nachrichtenagentur dpa.
Doch die Chancen, dass das Milch-Unternehmen dem einzigen deutschen ProTour-Rennstall die Treue hält, stehen schlecht. Der Bremer Konzern hatte bereits im Vorjahr angekündigt, Ende 2010 das Engagement einzustellen. Und dabei soll es bleiben. «Es gilt weiterhin das, was wir gesagt haben. Es gibt keinen neuen Stand», betonte Unternehmenssprecherin Godja Sönnichsen.
Ein völlig anderes Gesicht wird das Team aber auf jeden Fall bekommen. Längst haben die beiden Kapitäne Linus Gerdemann und Gerald Ciolek Tuchfühlung zur Konkurrenz aufgenommen, weitere Profis wie Fabian Wegmann ebenso. «Klar, dass die Zeit eng ist und sich nun doch jeder von uns umhört. Nach einem neuen Job», gab Gerdemann in der «Süddeutschen Zeitung» zu.
Auch van Gerwen weiß, dass er ohne fixe Zusage für 2011 bald alleine in der Dortmunder Team-Zentrale dasteht. «Die Gefahr besteht, dass uns andere Teams Fahrer und Personal wegkaufen», räumte er ein. Derzeit stünden bei der Sponsorensuche noch ein paar Sachen aus, «es ist aber kein Interessent aus Deutschland dabei». Das Radsport- Engagement kostet Nordmilch geschätzte acht Millionen Euro pro Saison.
Die Situation von Gerdemann und Co. bei der 97. Tour de France erinnert frappierend an die Frankreich-Rundfahrt 2008: Damals kämpfte Gerolsteiner-Teamchef Hans-Michael Holczer verzweifelt um den Fortbestand seines sportlichen Lebenswerkes. Und er schien nach Stefan Schumachers beiden Zeitfahrsiegen und Bernhard Kohls drittem Gesamtrang plötzlich wieder bessere Karten im Sponsorenpoker zu haben. Am Ende wurden die beiden Zimmergenossen aber als Doper enttarnt - und die Gerolsteiner-Equipe verschwand ein Jahr nach dem Aus des T-Mobile-Teams ebenfalls von der Bildfläche.
Sollte es auch dem Milram-Rennstall so ergehen, würde der deutsche Profi-Radsport 20 Jahre nach der Gründung des Teams Telekom von der Erstliga-Landkarte gestrichen. Erst für 2012 gäbe es wieder Hoffnung: Dann will das neugegründete NetApp-Team in der ProTour mitmischen.