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Manuel Beltran (r) wird in Handschellen aus dem Teamquartier geführt.
13.07.2008 17:36
Nach Beltran: Angst vor weiteren Doping-Fällen

Bagnères-de-Bigorre (dpa) - Die Angst vor einer Doping-Epidemie sitzt der Tour de France im Nacken.

Zwar bemühen sich Fahrer und Verantwortliche, auf die abschreckende Wirkung des «Einzelfalls» Manuel Beltran und der funktionierenden Kontrollen zu verweisen, doch das größte Radrennen der Welt ist längst wieder im Würgegriff seines Dauer-Themas. «Beltran ist nicht der erste Fall und wird auch nicht der letzte bleiben», sagte CSC-Saxo-Bank-Teamchef Bjarne Riis in Figeac. Fast flehentlich appellierte sein Gerolsteiner-Kollege Hans-Michael Holczer: «Geben Sie uns bitte eine Chance.»

Nachdem der von der Polizei in Handschellen abgeführte Beltran die brüchige «heile Welt» der 95. Frankreich-Rundfahrt zum Einsturz gebracht hatte, reagierten Fahrer, Teammanager und Sponsoren vor dem Start der 8. Etappe mit Empörung auf die «Dummheit» des 37-Jährigen vom Liquigas-Team. Im vielstimmigen Chor der «Betrogenen» klang eines klar heraus: Beltran dient als Beruhigungspille, die zeigen soll, dass der Radsport den Kampf um neue Glaubwürdigkeit ernst nimmt. «Wir sind wieder einen losgeworden, der hier nicht reingehört», sagte der Berliner Aktiven-Sprecher Jens Voigt stellvertretend für das Peloton. «Wann werden diese Idioten endlich lernen, dass es vorbei ist», kommentierte Weltverbandspräsident Pat McQuaid den «schweren Schlag».

Für die Doping-Diskussionen dürfte es nicht förderlich sein, dass ausgerechnet der Italiener Riccardo Ricco die erste Pyrenäen-Etappe gewann und sich damit seinen zweiten Tagessieg sicherte. Der Giro-Zweite soll laut «L'Équipe» unter besonderer Beobachtung der Fahnder stehen. «Ich brauche mich nicht zu verstecken, denn ich habe mir nichts vorzuwerfen», hatte Ricco zuvor gesagt.

Der diesjährige Giro-Zweite Ricco, der die erste Bergankunft in Super-Besse gewonnen hatte, soll laut «L'Équipe» einer von «fünf Fahrern» sein, deren Hormonspiegel und Blutbilder erhebliche Auffälligkeiten aufwiesen. «Ricco ist ganz ruhig. Er hat nichts zu befürchten. Wir haben keine Mitteilung der AFLD erhalten», erklärte ein Sprecher von Riccos Team Saunier Duval. Zuvor hatte die für die Tests zuständige französische Anti-Doping-Agentur AFLD mitgeteilt, dass es bei «etwa 20 Profis» Ergebnisse nahe am Grenzwert gegeben habe.

Das Mitleid mit Beltrans Team hielt sich bei Holczer in Grenzen. «Wer Basso sät, wird Beltran ernten», sagte der 54-Jährige in Anspielung auf den Liquigas-Neuzugang Ivan Basso, der wegen Dopings noch bis Ende Oktober gesperrt ist. Ohnehin hat die italienische Equipe keinen guten Leumund: So fuhr im Vorjahr auch Danilo di Luca, der bis Anfang 2008 wegen einer zurückliegenden Doping-Affäre für drei Monate aus dem Verkehr gezogen worden war, bei seinem Giro-Sieg für Liquigas. Dennoch beteuerte Team-Manager Roberto Amadio vor dem von Dutzenden Polizisten und Journalisten umlagerten Mannschaftsbus: «Beltran ist ein Einzelfall. Die anderen Fahrer haben damit nichts zu tun. Es gibt aber immer noch Jungs, die russisches Roulette spielen.»

Während sich seine Team-Kollegen vor dem Etappensieg des Briten Mark Cavendish demonstrativ an der Spitze des Feldes zeigten, war Beltran bereits zurück in seiner Heimat Spanien. Der frühere Kollege von Jan Ullrich im Coast-Team 2003 beteuerte seine Unschuld: «Viele haben mich daran erinnert, dass es immer wieder Fälle gibt, in denen die B-Probe nicht die A-Probe bestätigt», ließ Beltran aus Spanien ausrichten, wohin der von seinem Rennstall suspendierte Fahrer Hals über Kopf aufgebrochen war.

Da die Polizei in seinem Hotelzimmer keine Doping-Präparate gefunden hatte, wurde Beltran nach einer mehrstündigen Vernehmung Samstagnacht wieder auf freien Fuß gesetzt. Somit droht ihm wohl auch keine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren, die das verschärfte französische Anti-Doping-Gesetz vorgesehen hätte. «Bei Bildern wie Beltran in Handschellen müsste jedem klar sein, wie die Gesetze in Frankreich sind», sagte Columbia-Sportdirektor Rolf Aldag, der im Vorjahr Doping in den 90er Jahren zugegeben hatte.

Die Tour-Karawane schien sich darauf geeinigt zu haben, Beltran als Ewig-Gestrigen der alten Garde abzustempeln. «Es gibt leider Fahrer, die immer noch nicht verstanden haben, was die Stunde geschlagen hat», meinte Tour-Direktor Christian Prudhomme in einem 20-Sekunden-Statement zum ersten Tour-Skandal 2008. «Beltran symbolisiert das, was wir im Radsport noch zu erledigen haben», pflichtete ihm Holczer bei, für den die Geldgeber-Suche nun noch schwieriger werden dürfte. «Klar kann das den einen oder anderen Sponsor abschrecken», sagte sein Fahrer Stefan Schumacher der Deutschen Presse-Agentur dpa.

Der Fall Beltran hat auch einen erneuten Schatten auf Lance Armstrong geworfen. Der Berg-Spezialist ist als vierter früherer Edel-Helfer des Tour-Rekordsiegers als Dopingsünder überführt worden. Zuvor waren bereits die Amerikaner Tyler Hamilton und Floyd Landis (bis zu seiner Sperre Toursieger 2006) sowie der Spanier Roberto Heras positiv getestet worden. Wie bei Armstrong wurden 2005 Spuren von EPO in Urinproben von Beltran aus den Jahren 1998 und 1999 gefunden, für die aber beide sportrechtlich nicht mehr belangt werden konnten. Beltran war an drei von sieben Armstrong-Siegen in den Mannschaften US Postal und Discovery Channel beteiligt.


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