Nimes (dpa) - Jahrelang leistete er treue Dienste, nun sucht er sein Glück auf eigene Faust. Bei der 91. Tour de France trat Andreas Klöden erstmals aus dem langen Schatten von Jan Ullrich. Auf beiden Pyrenäen-Etappen fuhr er dem Kapitän vom T-Mobile-Team auf und davon.
Eine Woche vor dem Ende der Rundfahrt liegt er 3:43 Minuten vor Ullrich und darf sich als Vierter der Gesamtwertung berechtigte Hoffnungen auf einen Podiumsplatz in Paris machen. Selbst der fünfmalige Tour-Sieger Lance Armstrong war voll des Lobes: «Für mich ist das keine Überraschung, sondern ein Comeback. Klöden ist ein ausgezeichneter Fahrer und ein wirkliches Talent.»
Welches Potenzial in ihm steckt, hatte der 29 Jahre alte Radprofi bereits im Jahr 2000 unter Beweis gestellt. Sein Sieg bei Paris - Nizza, der schweren Baskenland-Rundfahrt im Anschluss und der Gewinn der Bronzemedaille im olympischen Straßenrennen verleitete die «L'Equipe» damals zu der ganzseitigen Überschrift «Klöden - frère d'Ullrich» («Klöden - Bruder von Ullrich»). Mit diesem Vergleich spielte die französische Sportzeitung nicht nur auf die Klasse des Deutschen, sondern auch auf sein gutes Verhältnis zu dem Tour-Sieger von 1997 an.
Hartnäckige Kniebeschwerden, die erst nach langer Behandlung verschwanden, verursachten einen Karriereknick. Doch mit der Rückkehr seines Freundes ins Team des Telekomminikations-Riesen kehrte auch die Form vergangener Tage zurück. Wie schon in der Berliner Radsportschmiede SC Dynamo und den gemeinsamen Trainingstagen rund um Merdingen Anfang der 90er Jahre suchte der im sächsischen Mittweida geborene Klöden die Nähe zu Ullrich. Geimeinsam verlegten beide ihren Wohnsitz in die Schweiz, gemeinsam bestritten sie die Vorbereitung auf die diesjährige Tour.
Obwohl er in der Tour-Gesamtwertung vier Plätze vor seinem Trainingspartner liegt, kommen Klöden keine Forderungen über die Lippen. Die Rolle des loyalen Edelhelfers ist nicht gespielt, der Glaube an Ullrich unverändert groß. «In den Alpen hat Jan bestimmt bessere Beine, dann werden wir gemeinsam versuchen, den Rückstand auf Armstrong zu verkürzen», kündigte Klöden an. Und auch Sportdirektor Mario Kummer ließ keinen Zweifel an der künftigen Rollenverteilung: «Wir werden die Position von Ullrich nicht preisgeben. Er bleibt unser Kapitän.»