Siena (rad-net) - Wout van Aert (Jumbo-Visma) hat Strade Bianche gewonnen. Nach zwei dritten Plätzen 2018 und 2019 gelang ihm sein erster Sieg bei dem italienischen Klassiker. Hinter Davide Formolo (UAE-Team Emirates) wurde Maximilian Schachmann (Bora-hansgrohe) starker Dritter.
Bei dem ersten WorldTour-Rennen seit dem Corona-Lockdown zeigten die Rennfahrer ein sehr abwechslungsreiches Rennen. Früh attackierten sechs Fahrer aus dem Feld. Aus dieser Gruppe, die bereits nach rund einer Stunde unter Auflösungserscheinungen litt, machte sich Simon Pellaud (Androni Giocattoli-Sidermec) schließlich alleine auf und davon. Er baute seinen Vorsprung auf fast vier Minuten aus, doch als die 100-Kilometer-Marke erreicht war, verringerte sich auch sein Vorsprung, besonders nachdem Julian Alaphilippe (Deceuninck-Quick Step) und Mathieu van der Poel (Alpecin-Fenix) 80 Kilometer für eine erste Tempoverschärfung gesorgt hatten. Danach beruhigte sich das Peloton wieder etwas.
Das nutzten Marcus Burghardt (Bora-hansgrohe), Lawson Craddock (EF Pro Cycling) und Bob Jungels (Deceuninck-Quick Step), um die Verfolgung zu Pellaud aufzunehmen. Sie kamen heran, aber das Peloton war nur knapp dahinter und holte die Ausreißer wieder ein. Unterdessen stürzten im Feld mit Vorjahressieger Alaphilippe, Van der Poel und Vincenzo Nibali (Trek-Segafredo) drei Favoriten, kamen aber wieder ins Feld, hatten aber viel Kraft verbraucht.
Das Finale wurde auf dem achten Sektor eröffnet. Simon Clarke (EF Pro Cycling) griff an und einige Fahrer gingen mit. Jakob Fuglsang konterte und fuhr 55 Kilometer vor dem Ziel davon. Hinter ihm bildete sich eine Verfolgergruppe mit unter anderem mit Van Aert, Schachmann, Formolo, Alberto Bettiol (EF Pro Cycling), Greg van Avermaet (CCC) und Michal Kwiatkowski (Ineos), die sich aber schnell dezimierte. Rund zehn Kilometer später konnten die Verfolger den Anschluss zu Fuglsang wieder herstellen und eine erste wichtige Selektion war gemacht, denn das Feld war inzwischen weit weg.
21 Kilometer vor dem Ziel trat schließlich Schachmann an. Zunächst konnte nur Van Aert folgen, kurz darauf schlossen aber Bettiol, Formolo und Fuglsang wieder auf. Der Angriff des Deutschen Meisters hatte dafür gesorgt, dass nur noch fünf Fahrer um den Sieg fuhren.
Auf dem letzten Sektor zwölf Kilometer vor dem Ziel war es dann Van Aert, der die Entscheidung herbeiführte. Er attackierte und setzte das Rennen als Solist fort. Van Aert hatte sich bewusst zu seinem Angriff auf dem letzten Schotterabschnitt entschieden. «Angriff ist die beste Verteidigung», sagte er im Siegerinterview. «In der Vergangenheit haben wir gesehen, dass es sich oft auszahlt. Ich kam mit einem kleinen Vorsprung auf den steilen Teil des letzten Sektors. Dort es ein Kampf Mann gegen Mann. Aber es hat funktioniert», sagte er im Siegerinterview. Während Fuglsang die Kraft ausging, versuchten Schachmann, Formolo und Bettiol wieder heranzukommen. Das war allerdings zu viel für Bettiol, der schließlich reißen lassen musste.
Mit einem Vorsprung von zwanzig Sekunden ging Wout van Aert in den letzten Kilometer. Und dort ließ sich der Belgier auch an dem steilen Anstieg hinauf nach Siena nicht mehr von der Spitze verdrängen. Er gewann mit 30 Sekunden Vorsprung auf Formolo, der im Schlussspurt Schachmann noch um zwei Sekunden distanzieren konnte.
«Ein Sieg bei der Tour de France ist sehr groß», spielte Van Aert auf seinen Etappensieg im vergangenen Jahr an, «aber Strade Bianche ist auch eines der größten Rennen, die es zu gewinnen gilt. Mein Ziel war es, diesen Sieg in mein Palmares aufzunehmen. Ich bin erst 25 Jahre alt und habe es geschafft! Es war ein sehr langer Tag des Leidens. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass sich jemand gut gefühlt hat. Die Hitze machte das Rennen sehr schwer. Ich habe darauf geachtet, viel zu trinken. Ich glaube, deswegen hatte ich zum Schluss auch noch Kraft übrig.»
Maximilian Schachmann sagte: «Es war ein brutales Rennen und mir war schon vor dem Start klar, dass der Schlüssel zum Erfolg sein wird, wie man mit der Hitze umgehen kann. Ich habe immer wieder Eisbeutel bekommen, um mich zu kühlen, das war sehr wichtig. Auf den ersten Sektoren bin ich locker hinten im Feld gefahren, da konnte man schon sehen, dass alle leiden. In Santa Maria [auf dem achten Sektor, Anm. d. Red.] bin ich zweimal beinahe gestützt, da die Sicht extrem schlecht war mit dem ganzen Staub. Im letzten Sektor wollte ich etwas warten, das war ein Fehler, denn Van Aert hatte schnell eine Lücke. Danach hätte ich alle Kraft investieren müssen, um noch einmal nach vorne zu kommen, da habe ich mich aufs Podium konzentriert. Dennoch bin ich sehr zufrieden mit meinem dritten Platz, das war ein sehr ordentlicher Auftritt beim Wiedereinstieg.»