Stuttgart (dpa) - Rückkehrer Robert Bartko statt Altmeister Jens Lehmann: Die Nominierung des Olympiasiegers aus Potsdam für den Auftakt-Wettbewerb in der 4000-m-Einzelverfolgung hat zum Start der Bahnrad-Weltmeisterschaften in Stuttgart zusätzliche Spannung ausgelöst und die Harmonie unter den Verfolgern gestört.
«Im Vorfeld gibt es immer ein bisschen Spannung. Da ist die Harmonie sicherlich immer teilweise gestört. Jetzt kommt es darauf an, dass die Verantwortlichen es schaffen, das in die richtigen Bahnen zu lenken», erklärte Burckhard Bremer, Sportdirektor im Bund Deutscher Radfahrer (BDR).
Überraschend hatte der Verband neben dem deutschen Meister Daniel Becke (Erfurt) Bartko den zweiten Startplatz zugesprochen. Lehmann, WM-Dritter des Vorjahres, reagierte frustriert auf seine Nichtberücksichtigung. «Ich fühle mich vom BDR um meinen Startplatz betrogen und bin über die Entscheidung zutiefst enttäuscht», betonte der 35-jährige Leipziger. Er habe sein gesamtes Training auf die WM ausgerichtet und sogar gesundheitliche Risiken auf sich genommen, als er beim Weltcup im Februar in Moskau mit Fieber Zweiter geworden war, um damit dem BDR einen zweiten WM-Startplatz zu sichern. «Ich fühle mich in der Lage, eine Medaille in der Einzelverfolgung zu gewinnen», sagte der sechsmalige Weltmeister.
Dass Lehmann, der vor zwölf Jahren ebenfalls in Stuttgart den Einzeltitel gewann, zum Zuschauen verurteilt ist, hat für Bundestrainer Bernd Dittert ausschließlich sportliche Ursachen. «Wir haben in der Vorbereitung Tests gemacht und da mussten wir leider feststellen, dass der eine Sportler nicht so topfit ist wie der andere», begründete er den Vorzug des Rad-Profis vom niederländischen Rennstall Rabobank, der sein letztes Bahnrennen vor drei Jahren bei den Olympischen Spielen in Sydney absolviert hatte. «Wir fahren hier eine WM und die Besten sollen fahren. Wir haben drei Top-Fahrer und es ist leider so, dass einer darunter leidet», so der Sportdirektor.
Bartko ist bei Testrennen in Frankfurt/Oder nach eigener Aussage die besten Zeiten seines Lebens und damit schneller als vor seinem Olympiasieg in Sydney gefahren. «Die Entscheidung, dass ich fahre, ist für Lehmi ein Hammer. Aber sportlich ist die Entscheidung richtig. Wir befinden uns im Leistungssport, und der heißt nicht umsonst so», sagte der 27-jährige Potsdamer, der bei den Spielen 2000 Lehmann im Einzel-Finale bezwungen hatte und mit ihm in dem zur WM wieder vereinigten Gold-Vierer fuhr.
Dittert hat Verständnis für Lehmanns Enttäuschung. «Das ist eine undankbare Entscheidung für ihn, die er jetzt erst einmal verkraften muss. Es ist doch normal, dass er nicht mit einem Lächeln zum Frühstück kommt. Und es ist auch klar, dass das auf die Mannschaft umschlägt. Jetzt überschlagen sich die Ereignisse. Ich warte ab, was passiert, und setze ihn nicht unter Druck», meinte der Bundestrainer mit Blick auf die Mannschaftsverfolgung, für den Lehmann sich bereits entschieden hatte.
Nicht zur Disposition stand der Start Daniel Beckes, der sich mit seinem Kapitän Jan Ullrich im Team Bianchi drei Wochen durch die Tour de France gequält hatte. «Er ist sehr zuversichtlich und sagt, es geht. Aber diese Situation hatten wir noch nie, dass einer direkt von der Tour zur WM kommt. Da betreten wir völliges Neuland», sagte Dittert. Becke war bei den deutschen Meisterschaften Ende Mai in Stuttgart mit dem Titelgewinn in der Einzelverfolgung ebenfalls nach dreijähriger Bahn-Abstinenz auf das Holzoval zurückgekehrt.