Spalt (pps/uv) Wer bei den Straßenrennen und -Rundfahrten der nächsten 365 Tage das weiße Meistertrikot mit dem schwarz-rot-goldenen Brustring und dem BDR-Abzeichen trägt, entscheidet sich am kommenden Sonntag. Für knapp 120 Fahrerinnen und 160 Fahrer geht es im bayerischen Spalt, 35 Kilometer südlich von Nürnberg, um die Deutschen Meistertitel 2003 im Einer-Straßenrennen. Die Frauen starten am Sonntag um 8.50 Uhr über knapp 102 Kilometer, die Männer drei Stunden später um 11.50 Uhr über 175 Kilometer. Start und Ziel der 14,6 Kilometer langen Runde mit zwei knackigen Anstiegen befinden sich auf der Bahnhofstraße in Spalt.
Die DM in Bayern, zu der aufgrund des großen Einzugsgebietes viele Zuschauer erwartet werden und für die sich ein Groß-Aufgebot an Pressevertretern akkreditiert hat, hat für den Bund Deutscher Radfahrer eine herausragende Bedeutung. „Die DM ist der deutsche Radsport-Höhepunkt schlechthin“, erwartet BDR-Sportdirektor Burckhard Bremer (Berlin) hochkarätige und spannende Rennen. „Das wird mit Sicherheit eine der spannendsten Meisterschaften der letzten Jahre“, ist Bremer sicher, dass sich die Sportler vor eigenem Publikum in bester Verfassung präsentieren wollen. „Die Meisterschaften sind für die Elitefahrer im Hinblick auf die am 5. Juli beginnende Tour de France, aber auch für die Frauen angesichts der hochklassigen Thüringen-Rundfahrt vom 22. bis 27. Juli eine optimale Standortbestimmung.“
Telekom, Bianchi und Gerolsteiner kämpfen um nationale Spitze / Nürnberger Kessler „Geheimfavorit“ / Kessler erstmals für Tour nominiert / Sinkewitz für Überraschung gut
Kann das Team Telekom auch in diesem Jahr die nationale Spitze verteidigen? Nach acht Deutschen Meistertiteln in Folge (seit 1995, als erstmals Amateure und Profis die Meisterschaft gemeinsam bestritten, kam der Titelträger immer von Telekom) zählen die Fahrer des Bonner Rennstalls mit dem Weltranglisten-Führenden Erik Zabel an der Spitze auch in diesem Jahr wieder zu den Top-Favoriten. Ganz so leicht wie in den Vorjahren dürfte das Rennen für die Telekomer in diesem Jahr jedoch nicht werden. Auch Gerolsteiner mit Zeitfahr-Vize-Weltmeister Michael Rich, Uwe Peschel und Kletterspezialist Udo Bölts, zuletzt 21. der Katalonien-Rundfahrt, sowie das Team Bianchi um den Tour-Sieger von 1997, Jan Ullrich, wollen bei der Medaillenvergabe ein Wörtchen mitreden. Gute Leistungen sind aber auch von den deutschen „Radsport-Legionären“ wie Jens Voigt (Crédit Agricole/FRA), nach der dritten Etappe Gesamt-Neunter der Route du Sud, Bert Grabsch (Phonak/SUI), Robert Bartko, Grischa Niermann (beide Rabobank/NED), Jörg Ludewig (Saeco/ITA) und Jörg Jaksche (Once/ESP) zu erwarten. Vor allem für den Ansbacher finden die Meisterschaften in Spalt quasi vor der eigenen Haustüre statt.
Zu den „Geheimfavoriten“ dieser Meisterschaften zählt nach seinen hervorragenden Leistungen bei der Katalonien-Rundfahrt (zweimal Etappen-Dritter, 22. der Gesamtwertung) der 24 Jahre alte Matthias Kessler vom Team Telekom. Dem gebürtigen Nürnberger, der auch im Training bergiges Terrain bevorzugt und der in seiner Heimat sicher hochmotiviert an den Start gehen wird, dürfte das Streckenprofil entgegenkommen. Kessler wurde vom Team Telekom am Dienstag übrigens für seine erste Tour de France nominiert. Auch Patrik Sinkewitz (23), der derzeit eine sehr gute Tour de Suisse fährt und als zweitbester Deutscher hinter Jan Ullrich (9.) auf Platz 13 der Gesamtwertung liegt, könnte in Spalt für eine Überraschung sorgen. Für eine Platzierung im Vorderfeld dürfte der in Fulda gebürtige Jungprofi vom belgischen Team Quickstep-Davitamon allemal gut sein.
Die Sportgruppen der zweiten und dritten Kategorie wie Team Wiesenhof Leipzig (mit Ex-Telekomer Jens Heppner), das Team Comnet-Senges (mit Sascha Henrix), das Team Lamonta (mit Björn Glasner) sowie die Mannschaften Rose Versand-Merlin Logistics, Vermarc Sportswear und Winfix Techem Berlin wollen sich beim nationalen Radsport-Höhepunkt des Jahres ebenfalls ganz vorne präsentieren.
„Heimspiel“ der Nürnbergerinnen oder Überraschungssiegerin
Spannung ist auch im Frauen-Rennen angesagt, wenngleich sich der Kreis der Titel-Favoritinnen vornehmlich auf die Equipe Nürnberger konzentriert, die in Spalt quasi ein „Heimspiel“ feiert und viel Anfeuerung durch die Zuschauer erwarten darf: Die inzwischen 36-jährige Leipzigerin Petra Roßner, 1992 Olympiasiegerin in der Bahn-Verfolgung, Judith Arndt (Leipzig), Deutsche Zeitfahr-Meisterin, Hanka Kupfernagel (Werder/Havel), aktuelle Vize-Weltmeisterin im Cross und Europameisterin Trixi Worrack (Cottbus) sind die Top-Starterinnen der Nürnbergerinnen. Aber auch die in Italien unter Vertrag stehende Regina Schleicher (Marktheidenfeld) und die für das Schweizer Team Next 125 startende Tanja Hennes (Attendorn) zählen nach den guten Resultaten der vergangenen und laufenden Saison in Spalt zum Favoritenkreis.
Von den Genannten dürfte sich Judith Arndt die besten Titel-Chancen ausrechnen. Die in Königs-Wusterhausen geborene 26-Jährige überzeugte in diesem Jahr mit dem Sieg bei der hochkarätig besetzten Frauen-Rundfahrt „Tour de l’Aude“ und gewann zuletzt Anfang Juni die Deutsche Zeitfahr-Meisterschaft. Der „Allrounderin“ unter Deutschlands Rad-Amazonen dürfte die Strecke mit dem abwechlungsreichen Profil vielleicht am ehesten entgegenkommen. Für frischen Wind sorgen im DM-Rennen auch die beiden Junioren-Weltmeisterinnen von 1998, Trixi Worrack (21/Cottbus) und Tina Liebig (23/Gera), sowie Liane Bahler (21/Gera), Angela Brodtka (22/Cottbus), Etappensiegerin bei der Tour de l’Aude, und Theresa Senff (21/Arnstadt).
Interessant dürfte auch das Abschneiden der Überraschungs-Zweiten der Zeitfahr-Meisterschaften, Christiane Soeder (28/Stuttgart), sowie der „Youngsters“ Claudia Stumpf (19/RV Queidersbach), Juniorinnen-Vize-Weltmeisterin 2002 im Einer-Straßenfahren, und Nina Göhl (19/St. Märgen) ausfallen, die am vergangenen Wochenende hinter Sabine Spitz MTB-Vize-Meisterin im Cross-Country wurde.
Erste Aufschlüsse für WM-Nominierung / Frauen-Weltcup-Premiere 2003 Nürnberg
Auch hinsichtlich der Nominierung für die Weltmeisterschaften vom 9. bis 12. Oktober im kanadischen Hamilton sollen die Meisterschaften erste Aufschlüsse geben. Weitere Höhepunkte im deutschen Straßen-Rennsport sind in diesem Sommer das Hamburger Weltcup-Rennen der Männer „HEW-Cyclassics“ am 3. August sowie die Premiere des Frauen-Weltcup-Rennens „Rund um die Nürnberger Altstadt“ am 30. August.
Die Organisationen vor Ort wollen den Zuschauern in Spalt jedoch nicht nur hochkarätigen Radsport bieten, sondern mit einem umfangreichen und attraktiven Rahmenprogramm auch ihre organisatorischen Qualitäten unter Beweis stellen. Nachdem sich eine TV-Live-Übertragung mit dem Bayerischen Rundfunk nicht realisieren ließ, werden jetzt Großbildleinwände im Start- und Zielbereich sowie entlang der Strecke installiert, die den Zuschauern permament einen optimalen Überblick über das Renngeschehen auf allen Streckenabschnitten ermöglichen. Die Radsportfreunde, die die DM nicht persönlich am Streckenrand verfolgen können, können sich per Live-Ticker über den Rennverlauf informieren.
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