Berlin (dpa) - Jan Ullrich ist zurück aus seiner selbst gewählten, jahrelangen Isolation. Am Sonntag startete der einzige deutsche Toursieger für einen guten Zweck beim Ötztal-Marathon und bekannte: «Ich fühle mich wie neu geboren.» In seiner Altersklasse belegte er Platz 84.
Jan Ullrich ist auf dem Weg zurück. «Ich fühle mich wie neu geboren. Es ist ein tolles Gefühl, wieder zurück in der großen Radsport-Familie zu sein. Es ist einfach geil, sich wieder unter das Radsportvolk mischen zu können», sagte der einzige deutsche Tour-de-France-Sieger, bevor er um 06.45 Uhr in Sölden/Österreich bei zwei Grad Celsius zusammen mit rund 4000 ambitionierten Freizeitsportlern am Start des Ötztal-Marathons stand.
Im Ziel belegte er nach 8:12:29 Stunden Rang 84 in seiner Altersgruppe mit über einer Stunde Rückstand auf den Gesamtsieger Stefan Kirchmair aus Österreich. «Es war sauhart, aber es war ein schöner Tag», erklärte Ullrich nach dem Rennen, bei dem er an den Verpflegungsstellen Autogramme schreiben musste. Noch am Tag vorher hatte der frühere Toursieger, der seine Burnout-Erkrankung offensichtlich verarbeitet hat, eine Stunde in strömendem Regen trainiert. Soviel Eifer und Begeisterung - ein völlig neues Ullrich-Gefühl.
Mit Comebacks hat der mittlerweile 37-jährige Ex-Radprofi seine Erfahrungen. Während seiner aktiven Profizeit zwischen 1995 und 2006 war der Start in die Saison nach oft verschludertem Wintertraining immer wieder eine kleine Rückkehr. Diesmal ist der Weg aus der selbst gewählten Isolation seit seinem Rücktritt 2007 noch beschwerlicher. Das neue Management aus der Agentur des ehemaligen Davis-Cup-Spielers Carl-Uwe Steeb soll bei der Resozialisierung des nach massiven Doping-Anschuldigungen im öffentlichen Ansehen tief Gefallenen helfen.
«Nach meinem nicht erfreulichen Karriereende war ich in ein Loch gefallen. Jetzt hat mich das Radfieber wieder gepackt», sagte Ullrich, der sich in Sölden als Edelhelfer für den ehemaligen Slalom-Weltmeister Frank Wörndl verdingte. «Mir geht es nicht um den Sieg, sondern um den Spaß. Trotzdem habe in den vergangenen sechs Wochen hart trainiert, nachdem ich vier Jahre keine Lust hatte, aufs Rad zu steigen», erklärte ein erstaunlich fit wirkender Ullrich, der die 238-Kilometer-Tortur über 5500 Höhenmeter mit einem Lächeln und unter dem Applaus der Zuschauer und Begleiter in Angriff genommen hatte. Nach dem Start riss die Wolkendecke auf, und es herrschte Kaiserwetter in den Alpen.
Allerdings wird Ullrich bald seine Vergangenheit wieder einholen. Anfang September entscheidet der Internationale Sportgerichtshof CAS, ob der frühere T-Mobile-Star einen weiteren Prozess befürchten muss. Das für ihn als ehemaligen Lizenznehmer in der Schweiz zuständige NOK der Schweiz hatte es abgelehnt, seinen Fall vor dem Hintergrund der Vorwürfe um eine Zusammenarbeit mit dem mutmaßlichen Dopingarzt Eufemiano Fuentes weiter zu verfolgen. Dagegen hatten der Weltradsport-Verband UCI und die Anti-Doping-Behörde der Schweiz Einspruch beim CAS eingelegt.
Erst wenn kein Verfahren mehr ansteht oder läuft, will sich der Wahlschweizer mit einer verspäteten Wortmeldung zu Details der vergangenen Jahre äußern. «Ob Ullrich dann ein knallhartes Dopinggeständnis ablegt, ist offen», sagte sein neuer Sprecher Falk Nier. Seit Wochen überlegen die Berater den gangbarsten Weg zurück zu mehr öffentlicher Akzeptanz. «Ich habe viele Ideen und Ziele und bin voller Motivation - noch ist aber nichts spruchreif», sagte der sehr gelöst wirkende Ullrich.