Verbier (dpa) - Alberto Contador vollzog die Zeitenwende in drei Etappen. Erst zwei niedrige Dosierungen: 22 Sekunden zum Tour-Auftakt in Monaco, 21 Sekunden auf der ersten Pyrenäen-Etappe in Andorra.
Dann die Holzhammer-Methode in Verbier, als der 26-Jährige Spanier dem elf Jahre älteren Lance Armstrong mit einem Rückstand von 1:35 Minuten die wahrscheinlich bitterste Niederlage seiner Karriere verpasste. Sie machte Armstrong klar: Die Zeit ist auch für einen siebenfachen Toursieger, der die Sportwelt seit seinem ersten Sieg in Frankreich 1999 nach überstandener Krebserkrankung in Atem hält, nicht zurückzudrehen. «Früher war ich der Beste, jetzt ist er es. Das muss akzeptiert werden», gab Armstrong nüchtern zu Protokoll.
Der «Matador» der 96. Tour de France ist Alberto Contador - daran ließ auch die «L'Équipe» in riesigen Lettern keinen Zweifel. Die spanische Sportzeitung «Marca» jubelte: «Contador hat mit einem Handstreich seine Autorität bewiesen». Und laut «El Pais» besiegelte der Spanier «das Ende Armstrongs».
Armstrong, der im September 38 Jahre alt wird, blieb nicht viel mehr übrig, als die immer wieder provozierenden Worte über seinen Team-Kollegen in Freundlichkeit zu wandeln. «Mein Glückwunsch an ihn kommt von Herzen» twitterte der Texaner in die Welt und gab sich als fairer Verlierer, der die letzten Tour-Tage in die Samariter-Rolle schlüpfen und Contador zu Diensten sein will.
Am Abend nach der «Horror-Etappe» (Armstrong) konnte sich der Texaner wenigstens freuen, das Wettrennen gegen Contador ins Mannschaftshotel - wie immer - gewonnen zu haben. Diesmal war er 43 Minuten eher da. Seine beiden Bodyguards empfingen Armstrong gleich hinter dem Zielstrich in Verbier, verfrachteten ihn in einen Wagen und chauffierten ihn ins Mannschafts-Quartier «Le Castel» in Sion. Dort - so konstatierte die «L'Équipe» mit wenig Verständnis - floss nach dem Astana-Triumph «nicht ein einziger Tropfen Champagner».
Trotzdem freute sich Contador, dessen Tage unter dem Armstrong-Freund und Astana-Teamchef Johan Bruyneel gezählt sind, riesig. Wie viel Last der Erfolg von Verbier von seinen schmalen Schultern nahm, war bei der Siegerehrung zu merken. Immer wieder stieß der dürre Madrilene, der seit 2006 in Verdacht steht, auch Kunde des mutmaßlichen Doping-Arztes Eufemiano Fuentes gewesen zu sein, die Fäuste in die Luft. Nicht einmal der riesige Bernhardiner, den sie ihm auf dem Siegerpodest zur Seite gestellt hatten, machte ihm noch große Angst. Die Konkurrenten wohl auch nicht, auch wenn der jetzt fünftplatzierte Andy Schleck vom Bjarne-Riis-Team Saxo-Bank pathetisch verkündete, «bis zum letzten Atemzug» weiter zu kämpfen.
Ein reines Astana-Podest auf den Pariser Champs Elysées mit Contador an Nummer eins, Armstrong an zwei und Andreas Klöden auf Platz drei würde niemanden überraschen und die Kräfteverhältnisse dieser Tour widerspiegeln. Über einen vergleichbaren Erfolg konnte bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney gestaunt werden, als sich die Telekom-Profis Jan Ullrich, Alexander Winokurow und Klöden die Medaillen teilten. Zumindest im Fall Ullrich untersucht eine IOC-Kommission wohl noch immer, ob ihm wegen möglichen Dopings der Olympiasieg aberkannt werden kann.