Berlin (dpa) - Vollmundige Ankündigungen erhöhen den Erwartungsdruck. Aber Realisten sind vor dem Anti-Doping-Gipfel am 19. Juni in Genf, zu dem der Weltverband UCI die ProTour-Teamchefs und die Mannschaftsärzte lud, eher skeptisch.
«Es wird sehr wichtige Entscheidungen geben, die die Zukunft des Radsports im allgemeinen betreffen, speziell mit der Tour de France aber nichts zu tun haben», sagte UCI-Sprecher Enrico Carpani und dämpfte damit Erwartungen, dass zweieinhalb Wochen vor dem Tour-Prolog am 7. Juli in London so etwas wie eine «bereinigte» Starterliste präsentiert werden könnte. Es ist kaum damit zu rechnen, dass der Dachverband die gesamten Protokolle der in der Doping-Affäre Fuentes ermittelnden spanischen Justizbehörden (6000 Seiten) ausgewertet hat und belasteten Fahrern, Teams oder deren Chefs für die Tour die Rote Karte zeigt.
Interessanter als die Mitteilungen des UCI-Präsidenten Pat McQuaid auf einer Pressekonferenz in einem Genfer Hotel könnte ein Treffen danach sein. Die Vereinigung der ProTour-Teams IPCT berät, welche Mitglieder ihrer Organisation den selbst auferlegten Ethik-Code erfüllen, und wer wegen Nicht-Einhaltung den Ausschluss riskiert. Die IPCT hat zwar keinerlei exekutive Gewalt. Ihre möglichen Entscheidungen von Genf könnten die Tour-Organisatoren aber bestärken, einen rigiden Zulassungskurs zu fahren, der womöglich durch das Sport- oder Zivilrecht nicht abgedeckt sein könnte. Bei einer Vorbesprechung des Internationalen Verbandes der Profiteams (AIGCP) in Anneyron, bei der der Ausschluss «unethischer Teams» festgelegt wurde, hat es jedenfalls schon hitzige Diskussionen gegeben.
Marc Biver, Manager des Astana-Teams, das aus der umstrittenen Liberty Seguros-Mannschaft hervorgegangen ist, verließ das Treffen vorzeitig und war sehr zornig: «Alle zeigen auf uns, aber wir haben keine Leiche im Keller», sagte der Luxemburger, der die ehemaligen Telekom-und T-Mobile-Angestellten Mario Kummer, Alexander Winokurow, Matthias Kessler und Andreas Klöden unter der Berater-Tätigkeit des früheren Telekom-Managers Walter Godefroot beschäftigt. Das mit dem Geld mehrerer kasachischer Großunternehmen gesponserte Schweizer Team Astana beherrscht zur Zeit die Tour-Generalprobe Dauphiné Libéré und gilt bisher für den in London beginnenden Saisonhöhepunkt als die favorisierte Mannschaft schlechthin.
«Es müssen endlich Ross und Reiter genannt werden. Es ist doch ein unhaltbarer Zustand, dass etwa 200 Blutbeutel von angeblichen Fuentes-Klienten in Spanien lagern, wir durch einen DNA-Abgleich unzweifelhaft klären könnten, welchen Fahrern sie zuzurechnen sind, das wegen der Rechtslage aber im Moment nicht möglich ist», sagte Hans-Michael Holczer, Manager des Teams Gerolsteiner. Nicht nur sein Sponsor will die Entwicklung der kommenden Tour de France abwarten, um davon das weitere finanzielle Engagement abhängig zu machen. Auch ARD und ZDF formulierten bereits Ausstiegs-Klauseln bei Doping-Fällen.
Die erfolgten DNA-Abgleiche von Jan Ullrich (zurückgetreten) und des Italieners Ivan Basso (gesperrt bis Oktober 2008) sorgten dafür, dass die beiden Tour-Favoriten von 2006 inzwischen aus dem Rennen sind. Sein im Vorjahr zum zweiten Mal errungenes Siegertrikot der im Moment laufenden Tour de Suisse darf Ullrich behalten. Es spreche nichts für eine Aberkennung, erklärte Tour-Chef Armin Meier.