Frankfurt/Lausanne (dpa) - Im Juli will er das Gelbe Trikot. Beim ersten Vorbereitungsrennen unter erschwerten Bedingungen orientierte sich Jan Ullrich in der Westschweiz jedoch vorerst an der Roten Laterne.
49:59 Minuten trennten den 32-jährige T-Mobile-Kapitän bei der Endabrechnung im Ziel der Tour de Romandie auf Rang 115 von Gesamtsieger Cadel Evans. Der Australier, der in 61 Tagen bei der Tour de France zur Schar der Ullrich-Gegner zählen wird, war vor zwei Jahren beim Bonner Team aussortiert worden. Im Vorjahr landete der 29-Jährige in Paris auf dem achten Platz.
«Gequält und durchgehalten», lautete das positive Fazit des Tour- Siegers von 1997 nach seinen ersten 654 Rennkilometern 2006. Als eine der ersten gratulierte vor Ort in Lausanne seine Freundin Sarah. Team-Manager Olaf Ludwig meinte über den gerade von einer leidigen Knie-Reizung genesenen Ullrich: «Als Einstieg war das Hardcore.» Die schwere Tour de Romandie sei Grundvoraussetzung für den Start beim Giro d'Italia gewesen. Und die Italien-Rundfahrt ist laut Ludwig Ullrichs wichtigster Baustein der Tour-Vorbereitung.
Allerdings ist die Zeit knapp, um noch rechtzeitig in Fahrt zu kommen. Das wissen alle. Die Experten von einst, Rudi Altig oder Eddy Merckx, scheinen Ullrich für das Gelbe Trikot schon abgeschrieben zu haben. «Haus und Hof würde ich nicht auf ihn wetten», sagte Ex- Sprinter Marcel Wüst, der eher in Ivan Basso oder Alexander Winokurow die Kandidaten für das Armstrong-Erbe sieht. Ullrich-Fan und Verbands-Präsident Rudolf Scharping machte sich Mut mit einem Blick weit zurück: «Vor seinem zweiten Tour-Sieg erschien der Amerikaner Greg LeMond mit Übergewicht zum Giro und gab auf.»
Einen Tag vor dem Zeitfahren in Lausanne, das Ullrich nach 20,4 Kilometern mit 2:28 Minuten hinter seinem früheren Helfer Evans (26:19 Minuten) beendete, hatte er sich mit seinem Betreuer Rudy Pevenage glücklich in den Armen gelegen. Ullrich hatte in Sion die schwerste Bergetappe 25:48 Minuten hinter dem Tagessieger Alejandro Valverde - ein weiterer potenter Tour-Kandidat - beendet. «Alle Muskeln tun mir weh, aber nicht das Knie», meinte Ullrich erfreut.
«Egal, welche Position, egal, wie viel Zeitrückstand - nur Durchfahren war Jans Devise bei der Romandie. Das hat er geschafft», meinte Ludwig, der Ullrichs Verzögerung im Formaufbau mit einem Reifendefekt bei Paris-Roubaix verglich: «Mehr als ein Platten ist das nicht - da gibt man doch nicht auf.» Kritischere Worte zur Ullrich-Philosophie, in erster Line auf herausragendes Talent zu vertrauen, sind seit der Verrentung des früheren Team-Managers Walter Godefroot tabu.
Der Giro ist bei Ullrichs Aufholjagd nach der rechten Form die nächste Etappe. Er beginnt am 06. Mai mit einem 6,2 Kilometer-Prolog in Lüttich und endet mit einer brutalen Dolomiten-Tour, gegen den die Romandie-Rundfahrt wie ein Kaffeekränzchen anmutet. Die Asturien- Rundfahrt in Spanien könnte bei Bedarf noch in Ullrichs Vorbereitungs-Programm eingebaut werden. Pevenage erwartet in der letzten Giro-Woche einen rapiden Form-Anstieg bei seinem Schützling: «Das war bei seiner ersten Teilnahme 2001 auch so.»