Ravenna/Berlin (dpa) - Die erste Giro-Woche war für den smarten Alessandro Petacchi eine einzige Katastrophe. Mit seinem ersten Etappensieg könnten endlich rosigere Zeiten angebrochen sein.
Bis dahin war der 88. Giro d'Italia an dem 31-jährigen Italiener, der mit bisher 16 Saisonsiegen in Massensprints als nahezu unbezwingbar galt, vorbeigelaufen. «Er ist bis unter die Schädeldecke frustriert», sagte Mario Kummer vor Petacchis erstem Tageserfolg. Der T-Mobile-Teamchef rechnet damit, dass der Supersprinter aus La Spezia entgegen seiner Ankündigung am 2. Juli doch am Start der Tour de France stehen wird. Dort wird Petacchi sehr wahrscheinlich auch auf Erik Zabel treffen, der den Giro bisher eher als Trainingseinheit unter verschärften Bedingungen versteht.
Von den ersten sieben Giro-Etappen war nur eine richtig flach und damit für den diesjährigen Mailand-San-Remo-Gewinner Petacchi maßgeschneidert. Aber ausgerechnet auf der 6. Etappe entgleiste sein «Treno» (Zug). Die so bezeichnete Radsport-Formation der Baumaterialien-Firma Fassa Bortolo erinnert an ein Hochgeschwindigkeits-Fahrzeug, wenn sich alle Fahrer hintereinander einreihen und Tempo für ihren Chef machen. Beim Sturz in Grosseto wurde ihnen eine scharfe Kurve auf sandigem Untergrund 2800 m vor dem Ziel zum Verhängnis. An den Tagen davor hatten wahlweise die Taktik oder die Beine versagt, oder Petacchi witterte unfaire Allianzen der ausländischen Sprint- Konkurrenz. In Ravenna war mit dem Sieg endlich der Knoten geplatzt.
«Es tut mir Leid für meine Fans und mein Team - Entschuldigung», hatte Petacchi nach seinem neuerlichen Missgeschick in Grosseto kleinlaut um Vergebung gebeten. Vor dem Giro hatte er nicht ganz so zurückhaltend gewirkt. Er spekuliere auf zehn Etappensiege, hatte der blonde Italiener verkündet, der im Vorjahr den Nachkrieges-Rekord von neun Etappenerfolgen aufstellte. Nicht wegen Petacchis vorübergehender Erfolglosigkeit - schon vorher hatte Fassa Bortolo die Einstellung der Sponsortätigkeit zum Saisonende angekündigt. Team-Kollege Alberto Ongarate gab zu: «Wir sind nervös und haben Angst um unsere Zukunft.»
Anders als für Petacchi ist der Giro «ein Verlegenheitstermin für uns», bekannte Kummer. Wegen der ProTour bestand Start-Zwang. Die wichtigste Rundfahrt im Jahr bleibt natürlich die Tour und dort rechnen die Bonner mit den Giro-Teilnehmern Matthias Kessler (Nürnberg) und Zabel (Unna). «Erik hat sich kurzfristig für seinen ersten Giro-Start aus zwei Gründen entschlossen», teilte Kummer mit.
Die Rundfahrt biete optimale Trainingsmöglichkeiten «im Hinblick auf die Tour». Außerdem wollte Zabel seine Form nach dem siegreichen Henninger-Turm-Rennen ausnutzen, «um auch ein gutes Ergebnis zu erzielen». Noch hätten die Konstellationen beim Giro laut Kummer Zabel nicht hundertprozentig gepasst: «Aber er kommt noch.» Allerdings müsste sich der 34-jährige Berliner beeilen. Jetzt beginnen die Dolomiten-Etappen und damit erst ein Mal die Zeit der Kletterer.