Bad Tölz (dpa) - Die neue Generation im deutschen Radsport hat sich eindrucksvoll zu Wort gemeldet: Zuerst mit Fabian Wegmann, dem Überraschungs-Gewinner der Bergwertung beim Giro d'Italia, nun Patrik Sinkewitz, der die Königsetappe gewann und das Gelbe Trikot eroberte.
Beide sind 23 Jahre alt. «Diese Frische, diese Offenheit - das sind die Neuen», sagte der erfahrene Ex-Sprinter Marcel Wüst und dachte dabei schon an die Zeit nach Erik Zabel (33) und Jan Ullrich (30).
Sinkewitz, seit vier Jahren in italienisch-belgischen Diensten bei Mapei und dem Nachfolge-Team Quick-Step, stellte auf der schweren Alpen-Etappe mit seinem überhaupt erst zweiten Karriere-Sieg sogar Ullrich in den Schatten. Der Profi aus Fulda freute sich erst wie ein Kind, wurde dann aber traurig. «Die letzten sechs Wochen waren nicht einfach für mich. Meine Mutter hat mich moralisch sehr unterstützt und zu mir gehalten. Dafür danke ich ihr besonders», sagte Sinkewitz auf der Sieger-Pressekonferenz und verdrückte verschämt ein paar Tränen. Vorher hatten die Journalisten im «Arlbergsaal» Applaus bei seinem Erscheinen gespendet, als gehörten sie dem Sinkewitz-Fanclub an.
Aber der zierliche, überaus sympathische Fahrer im ansonsten blauen Trikot («Im Finale dachte ich: Bitte, bitte, nicht wieder Zweiter») hatte sich alle Anerkennung verdient. Zusammen mit dem Spanier Francisco Mancebo hatte er sich auf der letzten Steigung auf den Arlberg von so prominenten Fahrern wie Ullrich, Jens Voigt, Igor Gonzalez, Andreas Klöden oder seinem Mannschafts-Kapitän Paolo Bettini abgesetzt. «Jetzt haben die Deutschen hoffentlich gemerkt, dass es in ihrem Land noch andere Fahrer gibt», gratulierte ihm sein nicht anwesender Teamchef Patrick Lefèvere via Handy und spielte damit auf die «Ullrich-Fixierung» in Deutschland an.
Sinkewitz, der nicht zuletzt durch seinen Höhenflug im Ski-Paradies St. Anton auf die Nominierung für seine erste Tour de France hofft, dankte im Freudentaumel nicht nur seiner Mutter. «Es ist toll, wenn man Hilfe von einem Mann wie Paolo Bettini erhält. Er hat mir heute Mut zugesprochen und gesagt: Du schaffst es», erzählte Sinkewitz, der zusammen mit dem zweifachen Gewinner des Weltcups im Winter in der Toskana zwei Monate trainierte. Sonst übt er zu Hause in Fulda meist als Solist zusammen mit seiner Freundin Cornelia: «Die sitzt dann allerdings auf einem Motorroller».
Mit Fabian Wegmann vom Team Gerolsteiner versteht sich Sinkewitz bestens: «Wir fahren schon acht Jahre zusammen.» Wie der beim Giro, trägt der Quick-Step-Profi auch das Bergtrikot der Deutschland-Tour. Doch mehr interessiert ihn natürlich das Gelbe: «Der heutige Sieg und unser starkes Team sind eine große Motivation für mich. Ich hoffe, dass ich die Spitze bis zum Schluss nach Leipzig verteidigen kann. Am schwersten wird es am Samstag auf der zweiten Bergetappe nach Oberwiesenthal.» Ullrich, der 1:14 Minuten auf Sinkewitz verlor, lag im Gesamtklassement vor der 4. Etappe nur 18 Sekunden zurück.