Gaillac (dpa) - Das französische Fernsehen betrachtete ihn wie einen großen Tour-Star und verfolgte das Leiden des Jens Voigt ausgiebig mit der Kamera. Die «L'Equipe» schrieb vom «großen Deutschen», der die 11. Etappe der Tour de France aufgeben musste und erinnerte an die Zeiten, als sich der Berliner mit dem flinken Mundwerk und den schnellen Beinen in Frankreich den Beinamen «Monsieur 100 000 Volt» verdient hatte.
Vor zwei Jahren fuhr Voigt, bekannt und geschätzt für seine beherzten Attacken, für einen Tag in Gelb und gewann die Etappe in Sarran. Sein Team siegte sensationell im Mannschafts-Zeitfahren.
«Schon seit Tagen hatte ich Magen-Darm-Probleme. Auf dem Weg nach Toulouse musste ich mich übergeben, es ging nichts mehr», erzählte Voigt. An der Verpflegungsstelle nach 91 Kilometern musste er vom Rad steigen, nachdem er einsam hinter dem Feld in der Gluthitze des Languedoc bummeln musste, weil jede Pedal-Umdrehung fast so viel Kraft zu kosten schien wie eine Attacke auf dem Weg hinauf nach L'Alpe d'Huez. «Bei meiner sechsten Tour musste ich zum ersten Mal vorzeitig absteigen - das tut weh», sagte Voigt, der leichenblass in den Begleitwagen stieg. Die letzten Kilometer seiner Tour war er im Tempo eines Touristenfahrers im Rentenalter gefahren.
Eigentlich wollte der Berliner die Jubiläums-Tour nutzen, um erneut auf sich aufmerksam zu machen. Nach vier Jahren läuft sein Vertrag im französischen Team aus. Anders als vor zwei Jahren, als sich Telekom und Gerolsteiner um ihn rissen, sieht die Arbeitswelt für den 31-Jährigen, der vor der Tour zum dritten Mal Vater geworden war, nicht mehr so rosig aus.
Voigt war nicht der einzige Aussteiger des Tages und nicht der einzige Ausfall bei Crédit Agricole. Teamchef Roger Legeay hatte den Franzosen Stéphane Auge abgestellt, um Voigt zu betreuen und gegebenenfalls wieder ans Feld zu führen. Aber die Mühe um den ersten Deutschen im Bergtrikot (1998) war vergebens. Für Auge endete die Etappe im Ziel mit dem Ausschluss wegen Zeitüberschreitung.
Auch Jan Ullrich verlor zwei Tage vor Beginn der schweren Pyrenäen-Etappen einen Mitstreiter. Als Erster im Bianchi-Team musste sein Freund und Motivator Tobias Steinhauser (Scheidegg) passen. Er stieg wie Voigt an der Verpflegung aus. «Seine Batterien waren leer», lautete die Kurz-Diagnose des Team-Chefs Rudy Pevenage, der einräumte, dass der gelernte Schmied aus dem Allgäu in den Pyrenäen fehlen könnte: «Er war für Jan ein wichtiger Mann.»
Das seit Tour-Start rasende Tempo, große Hitze, Stress von morgens bis abends und nicht gerade gesundheitsbewusste Essregeln sorgen im Peloton für immer mehr Ausfälle. Allgemeine Schwäche war bei Steinhauser der Grund für den Ausstieg. «Er klagte schon seit Tagen über Muskelschwäche und hatte Gliederschmerzen. Auf der Etappe nach Toulouse ist ihm schwarz vor Augen geworden, und er hatte Schwindelanfälle. Vielleicht auch Anzeichen eines beginnenden Infektes, der bei uns ja schon Ullrich und einen Mechaniker erwischt hatte», meinte Bianchi-Arzt Achim Spechter.
«Die Anforderungen hier sind enorm und wahrscheinlich mit keiner anderen Sportart zu vergleichen€», sagte der Mediziner. Würde Spitzenreiter Armstrong seine augenblickliche Durchschnitts- Geschwindigkeit (41,57 km/h) ins Ziel retten, wäre das Rekord in 100 Tour-Jahren. Die Bestmarke in Paris hält der Texaner mit 40,27 Km/h, aufgestellt bei seinem ersten Toursieg 1999.