Urbino (dpa) - Er weiß, dass er zum Ende seiner Karriere «nicht mehr zu den Schnellsten» der Zunft zählt. Trotzdem zog Erik Zabel bei seinem erst zweiten Giro d'Italia in seiner 15-jährigen Profi-Laufbahn eine positive Halbzeit-Bilanz.
Wir waren zweimal ganz nah an einem Etappensieg dran. Dafür, dass der Giro eigentlich nicht auf meinem Plan stand, bin ich zufrieden», sagte der Berliner, der im Juli bei seiner wahrscheinlich letzten Tour de France seinen 38. Geburtstag feiern wird, dem Internetanbieter «Radsport-News».
An den Youngstern Mark Cavendish (ein Etappensieg) und Daniele Bennati (zwei) kommt Zabel, der im Milram-Team ohne den geschassten Alessandro Petacchi jetzt allein in der Verantwortung des Vollenders steht, bisher auf Italiens Straßen nicht vorbei. Aber noch mindestens zwei Chancen bieten sich bis zum Giro-Finale am 1. Juni in Mailand. Vor dem italienischen Cipollini-Schüler Bennati hat Zabel den meisten Respekt: «Er ist im Moment der Schnellste von allen hier».
Für den zwölffachen Tour-Etappensieger lief der Mai anders als erwartet. «Ich hatte mich 2007 und erst recht 2008 darauf vorbereitet, der erste Anfahrer für Petacchi zu sein. Mit Fabio Sabatini haben wir einen Mann, der eine ganze Zeit 60 fahren kann. Alberto Ongarato kann auf 62 Stundenkilometer beschleunigen, Marco Velo auf 65, ich auf 68 und Alessandro kann das Ziel mit über 70 erreichen», erzählte Zabel, der nach der Petacchi-Sperre in Italien trotz seines Sturzes beim Flèche Wallonne urplötzlich einspringen musste.
«Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass ich mich nicht zu den drei und auch nicht zu den fünf schnellsten Männern zähle», sagte er der Deutschen Presse-Agentur dpa und bewies mit seiner Selbsteinschätzung Realitäts-Sinn. Er will beim Giro weiter um Etappensiege kämpfen, im Hinterkopf hat er das violette Sprinter- Trikot des Punktbesten.
Die Routiniers des Milram-Rennstalls diktierten bisher bei Flachetappen auf den letzten Kilometern das Tempo. Keine andere Mannschaft hat die Ambition oder das Vermögen, sich im Finale so kompakt an die Spitze des Pelotons zu setzen wie die von norddeutschen Milchbauern gesponserten Männer. Deren himmelblauer «Zug» hat sich nach zwei Jahren Abstimmungsarbeit perfekt eingespielt.
Die Mittdreißiger Ongarato und Velo bringen den Enddreißiger Zabel in schöner Regelmäßigkeit in aussichtsreicher Position auf die Zielgerade. Aber ohne Petacchi war ein zweiter Platz von Zabel in Milazzo bisher das höchste der Gefühle - die Nachfolge-Generation um Bennati und Cavendish hat bisher immer noch rechtzeitig den Weg aus dem Windschatten der «Alten» gefunden.