Karpacz/Küttigen (dpa) - Radprofi Steffen Wesemann ist in Feier-Stimmung. An seinem fünften Hochzeitstag konnte der gebürtige Wolmirstedter seinen Schweizer Pass bei der Kantonspolizei Küttigen abholen.
Schon bei der Straßen-Weltmeisterschaft am 25. September will Wesemann in Madrid als Mitglied der Schweizer Nationalmannschaft nach dem Titel greifen. «Fabian Cancellara und ich sind die Kapitäne, und wenn es nicht zum Massensprint kommt, haben wir gute Chancen», sagte der 34 Jahre alte T-Mobile-Profi, der mit dem Gewinn der Flandern-Rundfahrt im vergangenen Jahr den Durchbruch schaffte. «Ich wollte schon lange Schweizer werden.» Sogar auf die Bundestagswahl hat er verzichtet.
Den Pass-Wechsel kurz vor der WM hatte im vorigen Jahr auch der Italiener Davide Rebellin geplant. Aber das Vorhaben, für Argentinien an den Start zu gehen, zerplatzte wie eine Seifenblase, weil gegen den Kapitän des Gerolsteiner Teams in Italien ein Doping-Prozess anhängig war. In dieser Beziehung hat Wesemann ein reines Gewissen, keinerlei Probleme mit der Justiz und leichtes Spiel bei den strengen «Schweizermachern». Wesemann kam in den Vorzug eines «vereinfachten Einbürgerungsverfahrens, also ohne den sonst üblichen Eignungstest, weil ich fünf Jahre mit einer Schweizerin verheiratet bin.» Alle Behörden hätten zugestimmt: «Die Gemeinde meines Wohnortes Küttigen und die Geburts-Gemeinde meiner Frau», sagte Wesemann.
Fast hätte ihm der Rad-Weltverband UCI, der im Moment wahrlich andere Sorgen hat, jedoch noch einen Strich durch die Rechnung gemacht. «Plötzlich wollten die noch eine beglaubigte Urkunde, dass ich den Schritt nicht nur wegen der WM vollziehe. Ich legte eine Erklärung vor, dass ich auch nach der Weltmeisterschaft weiter Schweizer bleiben möchte, deren juristischer Wert sicher zweifelhaft ist», sagte der neue Eidgenosse, für den die Schweiz schon seit längerem das Ziel seiner Wünsche ist. Mit dem Schweizer Pass in der Hand legt Wesemann die deutsche Staatsangehörigkeit nieder.
Bei der Polen-Rundfahrt hatte der Friedensfahrt-Rekordsieger fünf Etappen zum Einrollen für die WM genutzt. Als der Regen kam, fuhr er mit seinem neuen Team-Kollegen Cancellara nach Hause, um sich den letzten WM-Schliff zu holen. Der längsten Etappe hatte er nach 224 Kilometern sogar noch ein 30 Kilometer-Training hinter dem Motorrad folgen lassen, um sich an die WM- Marathon-Distanz heranzutasten. Das brachte ihm prompt das Lob des Schweizer Nationaltrainers René Savary ein: «Wesemann bereitet sich sehr seriös vor.» Die WM wird mit 289 Kilometern das zweitlängste Rennen der Saison.
Im Vorjahr bei den Titelkämpfen in Verona hatte Wesemann großen Anteil an der Vize-Weltmeisterschaft Erik Zabels. Diesmal fährt er auf eigene Rechnung und hofft auf Zwist bei den Italienern mit dem haushohen Favoriten Alessandro Petacchi: «Bei denen lief es in den letzten Jahren nur einmal harmonisch ab, als Cipollini 2002 Weltmeister wurde.»