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10.10.1999 08:41
Ullrich nach großartiger Leistung achter

Jan Ullrich hat nach einer großartigen Leistung nur knapp die Chance verpasst, als erster Doppel-Weltmeister in die Geschichte des Radsports einzugehen. Vier Tage nach seinem Titelgewinn im Zeitfahren musste sich der 25 Jahre alte Star des Teams Telekom zum Abschluss der Titelkämpfe in Verona mit dem achten Platz im Straßen-Rennen begnügen. Neun Fahrer machten nach 260 km die Entscheidung unter sich aus. Überraschungs-Weltmeister wurde in Sichtweite der Arena, wo der Triumphmarsch aus der Verdi-Oper zum Standard-Programm gehört, nach 6:19:29 Stunden der 23 Jahre junge Spanier Oscar Freire Gomez, schon 1997 Vize-Weltmeister der U23. Als er auf der Zielgeraden anzog, zog keiner der Topfavoriten nach. Vier Sekunden zurück belegten der Schweizer Markus Zberg und der Franzose Jean-Ceril Robin die nächsten Plätze. Jan Ullrich zeigte sich nicht enttäuscht: "Ich habe einige Körner verschossen, weil ich die Löcher zugefahren habe. Dadurch hat mir die Endschnelligkeit etwas gefehlt. Aber es war trotzdem für mich ein Superrennen." Wie der Deutsche nur knapp geschlagen wurden auch Titelverteidiger Oscar Camenzind (Schweiz/6.) und der belgische Top-Favorit Frank Vandenbroucke. Telekom-Teamchef Walter Godefroot trauerte dagegen dem Ausgang etwas nach: "Jan war eindeutig der Stärkste in der Spitzengruppe, er hat am meisten die Initiative übernommen. Schade, dass es nicht zum Sieg reichte, aber sein Ansehen ist weiter gestiegen." Dazu meinte Ullrich: "Bei einer WM gewinnt nicht immer der Stärkste, sondern der Glücklichste - wie heute." Die Vorentscheidung bahnte sich in der vorletzten Runde an. Unter Führung von Ullrich wurden sechs Ausreißer beim 3,5 km langen Anstieg zum Toricelli wieder gestellt. Es bildete sich eine Spitzengruppe von elf Fahrern. Ullrich fuhr meist vorn, kam aber nicht weg. Zwei Akteure fielen noch ab, auch Mitfavorit Michael Boogerd (Holland). Von den zwölf deutschen Startern befand sich außer Ullrich niemand mehr im Rennen. Als letzte Begleiter waren seine Telekom-Teamkameraden Rolf Aldag (Ahlen) und Andreas Klöden (Berlin) ausgestiegen. Auch der Berliner Jens Voigt war in Runde elf ausgestiegen: "Schade, ich hatte Probleme." An der Spitze begann ein zermürbendes Ausscheidungsrennen. Die WM-Bilanz von Jan Ullrich, 1993 Amateur-Weltmeister und 1994 WM-Dritter im Zeitfahren, fiel dennoch positiv aus. Noch vor wenigen Wochen hatte niemand mit einem Titelgewinn des Merdingers gerechnet. Nach einer unglücklichen Saison hatte der Tour-Sieger von 1997 überraschend Ende September schon die Spanien-Rundfahrt gewonnen. "Ich habe hier nichts zu verlieren. Ich habe einen Titel im Rücken, und ein Straßen-Rennen ist immer eine Lotterie", erklärte Ullrich noch vor dem Rennen. Locker wie selten hatte er wenige Minuten vor dem Start noch Autogramme an die zahlreichen Fans verteilt. Seine elf Team-Kollegen hatten vom sportlichen Leiter Olaf Ludwig klar die Order erhalten, voll und ganz für Ullrich zu fahren. Stets war ein Fahrer im vorderen Bereich des 173 Akteure starken Feldes zu finden, während Ullrich im Hauptfeld Kräfte schonen konnte. Er hatte den 16,25 km langen Rundkurs in der norditalienischen Stadt mit dem Respekt einflößenden Anstieg zum 283 m hohen Toricelle als "recht schwer" bezeichnet. Das hieß aber auch, beim durchschnittlich acht Prozent steilen Anstieg jeweils in den vorderen Reihen des Pelotons zu fahren. Das kostete Kraft und Konzentration. Der Reihe nach stiegen die deutschen Profis dann aus, nachdem sie ihre Aufgaben hervorragend bewältigt hatten.
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