Athen (dpa) - Nicht nur die Öffentlichkeit erwartet von Jan Ullrich Olympia-Gold. Auch aus seiner nächsten Umgebung kommt der ganz besondere Ansporn für das olympische Zeitfahr-Rennen in Vouliagmeni über 48 km.
«Der einzige, der ihm richtig gefährlich hätte werden können - David Millar - ist nicht da. Die anderen muss er schlagen: Ich rechne mit Gold», sagte Ullrichs Betreuer Rudy Pevenage, der die Spiele zu Hause am Fernseher in Geraardsbergen verfolgt und mit dem T-Mobile-Kapitän in Telefon-Kontakt steht. Der schottische Zeitfahr-Weltmeister von 2003 war der Polizei vor der Tour de France ins Netz gegangen, hatte Doping gestanden, wurde für zwei Jahre gesperrt und verlor den Titel.
Der Erwartungs-Druck auf Ullrich ist enorm, noch dazu nach dem enttäuschenden 19. Platz im Straßenrennen. Die erste Inspektion der Strecke am Meer - ein eher leichtes Auf und Ab auf einer breiten Küstenstraße - fiel zur Zufriedenheit des Silbermedaillen-Gewinners von Sydney im Zeitfahren aus. «Ein guter Roller-Kurs, der mir liegen müsste. Der Wind wird eine große Rolle spielen.Ich mache mir große Hoffnungen." Mehr an eigenen Ambitionen gibt der 30jährige kaum preis. Offensiven Optimismus überlässt Ullrich, dessen Beine bis aufs letzte Gramm austrainiert wirken, anderen.
Der Kampf gegen die Uhr am noblen Badestrand der Athener könnte zu einem deutschen Duell werden. Denn der zweifache Zeitfahr-Vize-Weltmeister Michael Rich vom nationalen T-Mobile-Konkurrenten Gerolsteiner kann sich wie Ex-Weltmeister Sergej Gontschar (Ukraine), Tour-Prolog-Sieger Fabian Cancellara (Schweiz), Laszlo Bodrogi (Ungarn) und Michael Rogers (Australien). Außenseiterchancen werden dem Thor Hushovd (Norwegen) und Titelverteidiger Wjatscheslaw Jekimow (Russland) eingeräumt. «Das ist mein Kurs», sagte Rich, der im übrigen von Millars Strafen profitiert. Als WM-Vierter wurde der 34-jährige «Bulle von Emmendingen» nachträglich zum Bronzemedaillen-Gewinner erklärt. Die Plakette kommt, «aber es kann noch etwas dauern», meinte Enrico Carpani, der Sprecher des Weltverbande UCI.
Die Goldmedaille im Zeitfahren würde Ullrich in seiner umfangreichen Trophäen-Sammlung noch fehlen. Hält er dem Druck stand und setzt seine augenblicklich gute Verfassung um, könnte sich der Wahlschweizer damit auch schon den ersehnten Urlaub verdient haben. Die WM im Oktober in Italien würde er nur bestreiten, «wenn die Form noch stimmt und Gold möglich ist», hatte der Tour-Vierte nach dem Straßenrennen erklärt. Pevenage sagte am Dienstag: «Über einen WM- Start wird Jan in den nächsten Wochen entscheiden. Aber der Stress, den er seit der gewonnenen Tour de Suisse hatte, ist nicht zu unterschätzen.»
Mit Medaillen-Aussichten geht auch die Olympia-Zweite Judith Arndt auf den 24 Km-Kurs. Auch am Start: Die im Straßenrennen schwer gestürzte dreifache Goldmedaillen-Gewinnerin von Sydney und Titelverteidigerin Leontien van Moorsel (Niederlande).