London (dpa) - Lance Armstrong hat öffentlich über sein Karriereende nachgedacht. «Es könnte mein letztes Jahr sein. Das hätte ich vor zwölf Monaten noch nicht für möglich gehalten», sagte Armstrong, der seinen sechsten Rekord-Toursieg anstrebt, in einem Interview der Londoner «Times».
Der Texaner, der sich in Gerona auf sein vermutlich einziges Duell mit Jan Ullrich vor der Tour de France vorbereitet, wollte sogar eine Niederlage gegen den Olympiasieger bei der Tour im Juli nicht ausschließen. Er wisse nicht, ob er in diesem Fall «weitermachen würde», sagte der 32-Jährige. Ein erstes und vor der Tour wahrscheinlich letztes Abtasten zwischen den Erzrivalen findet bei der Murcia-Rundfahrt in Spanien statt.
«Ich weiß nicht, was ich bei einer Niederlage in Paris machen würde, ob ich sage, okay, das war's oder ob ich weitermache. Ich kann mir zur Zeit nicht vorstellen, in zwölf Monaten kein Rennfahrer mehr zu sein. Aber ich bin offen für die Möglichkeit, dass jemand kommt, mir auf die Schulter tippt und sagt: Die Zeit ist um», sagte Armstrong. «Wenn ich verlieren würde, weiß ich nicht, ob ich dann sagen würde, es ist Zeit zu gehen. Oder ob ich sage: 'Ich muss es nochmal versuchen'. Leute, die mich am besten kennen, würden wohl sagen, der Kerl versucht es wieder.»
T-Mobile-Manager Walter Godefroot, Arbeitgeber von Ullrich, hält Armstrongs Ausstieg nach der Tour - egal wie sie endet - für möglich. «Egal, ob er verliert oder gewinnt: Mich würde sein Rücktritt schon in diesem Jahr nicht überraschen. Finanziell hätte es Lance sowieso nicht mehr nötig, weiter zu fahren», sagte der Belgier, der den fünffachen Toursieger seit seinem Profidebüt verfolgt.
Armstrong, der vor sieben Jahren den Kampf gegen Hoden-Krebs gewann, begann seine Saison vor zehn Tagen bei der Algarve-Rundfahrt mit einem Sieg im Zeitfahren und einem fünften Gesamtrang. Ullrich zog seinen Saisoneinstand auf die Almeria-Rundfahrt vor. Dem Olympiasieger schickte Armstrong in seinem Interview eine kleine Botschaft. «Wenn ich gehört hätte, dass Ullrich ein Zeitfahren im Februar gewinnt, würde ich mich sofort hinsetzen und 50 sit-ups machen, bloß um irgendwas zu tun.» In den kommenden Wochen gehe es für ihn nur darum, «Kilometer unter Wettkampfbedingungen zu sammeln, um eine optimale Tour zu fahren», erklärte Ullrich.
Auch zum Thema Doping nahm Armstrong, der seit Jahren mit dem umstrittenen italienischen Mediziner und Trainings-Analytiker Michele Ferrari zusammenarbeitet, Stellung: «Genetisches Doping wird das nächste große Ding. Ich bin nicht der erste und nicht der letzte, der verdächtigt wird. Die Leute wollen, dass derjenige gewinnt, der am härtesten arbeitet, der am meisten kämpft, der die besten Trainer hat, das beste Team - und der fair und anständig gewinnt. Und das tue ich.»
Seinen großen Ehrgeiz («Sterben und Verlieren ist das gleiche») verglich Armstrong mit dem von Formel 1-Star Michael Schumacher. «Ich denke, Schumacher sollte man nicht nur als den besten Fahrer würdigen, sondern auch als denjenigen, der Ferrari antreibt, immer bessere Autos zu bauen.»