Berlin/Aigle (dpa) - Jan Ullrichs Comeback ist ins Stocken geraten. Nach bevor der Rad-Olympiasieger den ersten Wettkampf-Kilometer für sein neues Team zurückgelegt hat, gilt sein Verhältnis zum Arbeitgeber Coast als nachhaltig gestört.
Im Trainingslager in der Toskana wurde Ullrich, der ab April nach 14-monatiger Pause wieder Rennen fahren will, von der Nachricht über die Sperre für sein Team durch den Weltverband kalt erwischt. Wegen des fehlenden Nachweises der korrekten Zahlung der Februar-Gehälter sämtlicher Angestellter des Rennstalls aus Essen hatte die UCI die Rote Karte gezogen.
Das erste große Etappen-Rennen der Saison, Paris-Nizza, wird ohne Coast und den Mitfavoriten Alex Zülle (Schweiz) stattfinden. Hoffnungen auf eine schnelle Aufhebung der Sperre gingen nicht auf. Weil laut Teamchef Günther Dahms Zahlungen an 12 Angestellte seines Rennstalls von der Bank noch nicht abgebucht seien, hätten die entsprechenden Unterlagen der UCI noch nicht vorgelegt werden können. «Das passiert am Montag. Dann rechne ich mit der Aufhebung der Sperre. Alle Gelder sind bezahlt», sagte Dahms.
«Die Sperre bleibt bestehen, bis eindeutig belegt ist, dass vertragsgemäß gezahlt wurde. Wir haben eine große Menge Papier erhalten, das wir jetzt sichten müssen», erklärte ein UCI-Sprecher. In der Führungs-Etage des Coast-Teams wurde von einem «Missverständnis» und einem «bürokratischen Fehler» (Sprecher Marcel Wüst) gesprochen.
Ullrich war im Januar für eine angebliche Jahres-Gage von knapp zwei Millionen Euro zu Coast gewechselt. Er erhielt einen Drei-Jahres-Vertrag, der der UCI aber ebenfalls noch nicht vorliegt. Auch der jetzt in der Schweiz lebende Top-Angestellte des Rennstalls hatte offenbar unter unregelmäßigen Zahlungen zu leiden. «Die Zahlungen an Jan erfolgten bisher nicht so, wie es sein sollte. Wir warten jetzt ab, bis Herr Dahms die Angelegenheit geklärt hat. Einen neuen Rennstall suchen wir nicht», sagte am Freitag Ullrichs Manager Wolfgang Strohband. «Ich habe mein Januar-Gehalt erhalten. Auf das Februar-Geld warte ich noch. Wie es bei Jan aussieht - dazu sage ich nichts», erklärte Rudy Pevenage, der Telekom zum Jahreswechsel verlassen hatte, um Ullrich zu folgen. Ullrich trainierte knapp drei Stunden.
Gleichzeitig überschlugen sich die Spekulationen um die Zukunft Ullrichs, dessen Doping-Sperre am 23. März abläuft. Über spanische und italienische Zeitungen hatten sich schon seit Tagen an dem Tour- Sieger von 1997 interessierte Teams ins Spiel gebracht und sogar Telekom-Manager Walter Godefroot erklärte auf dpa-Anfrage vielsagend: «Ich habe immer gesagt, dass die Tür bei uns für Jan nicht zu ist.» Der «Welt» sagte Ullrichs Berliner Trainer Peter Becker: «Jan macht sein Comeback - egal ob bei Coast oder anderswo.» Bjarne Riis, Boss der dänischen Formation CSC und vor Coast großer Favorit als neuer Arbeitgeber Ullrichs, erklärte der spanischen Zeitung «Marca», wenn Ullrich wieder Interesse hätte, sei es an ihm, «sich bei mir zu melden».
Obwohl Strohband anscheinend über einen fliegenden Team-Wechsel mitten in der Saison noch nicht nachzudenken scheint, ist klar: Ullrichs persönlicher Betreuer Pevenage wäre weitaus schwerer weiter zu vermitteln als sein Schützling. Riis und Godefroot würden sicher abwinken. Einen Mannschafts-Wechsel schließt aber auch der Belgier, der Ullrich bei Telekom zu allen großen Erfolgen begleitete, nicht grundsätzlich aus: «Das Vertrauen zu Coast ist im Moment nicht mehr da.»
Ungewöhnliche Erklärungen hatte der Boutiquen-Besitzer Dahms für die erneuten finanziellen Ungereimtheiten: «Bis zum 5. März mussten wir die Zahlungen für alle Fahrer und Angestellten bei der UCI für den zurückliegenden Monat nachweisen. Das geschah durch Bank-Belege, die die UCI nicht anerkannte. Ich habe die geforderten Unterlagen nachgereicht. Die Verzögerung kam durch den Karneval zu Stande, weil die Bank zu Wochenbeginn nicht arbeitete.»
Inhalte von Coast-Verträgen lassen offensichtlich Interpretationen zu. Die zwölf ausländischen Fahrer im Team, das immer noch Hände ringend auf den von Dahms angekündigten Co-Sponsor wartet, hatten im Vormonat auf Steuer-Rückzahlungen bestanden. Die Mannschaftsleitung hatte erklärt, sie verfolge nur geltendes Recht und habe 16 Prozent Mehrwertsteuer einbehalten, die ans Finanzamt weitergeleitet würden. Die inzwischen ausgeschiedenen Fahrer Mauro Gianetti (Schweiz) und Fernando Escartin (Spanien) klagen auf Restzahlungen.