Palma de Mallorca (dpa) - Santiago Botero kommt an. Der Betriebswirt mit Diplom der Universität Medellin entpuppt sich bei Telekom bisher als Volltreffer. Der spektakuläre Neueinkauf aus Kolumbien war auf Mallorca beim ersten Zusammentreffen mit dem Bonner Team im Trainingslager jedenfalls Absender und Empfänger überschwänglicher Lobeshymnen.
«Ein integrativer Typ, der konditionell schon zu den Besten gehörte», schwärmte Telekom-Teamchef Mario Kummer von Botero, den Manager Walter Godefroot einen «sehr netten und intelligenten Mann» nannte. «Alles ist sehr gut organisiert, diszipliniert und trotzdem im Vergleich zu meinem vorigen Team familiärer. Ich habe mich auf Anhieb wohl gefühlt und bin sehr motiviert», sagte der Zeitfahr-Weltmeister, der unbedingt von seiner spanischen Mannschaft zu Telekom wechseln wollte, so dass er sogar «die geforderten 230 000 Euro Ablöse aus eigener Tasche» an seinen alten Kelme-Rennstall zahlte, weil sein Vertrag noch Gültigkeit für 2003 hatte: «Das war eine gute Entscheidung.»
Zum Saison-Höhepunkt soll Botero, der im eigenen Team gegen die prominenten Neulinge Paolo Savoldelli (Italien) und Cadel Evans (Australien) bereits vorsichtig sein Terrain absteckt, als eine Art Geheimrezept gegen Lance Armstrong fungieren. «Bei der Tour de France sehe ich mich als Protagonist, aber natürlich fahren wir als Team», erklärte der 30-Jährige, der sich nicht nur für Zahlen und seinen Sport interessiert, sondern auch als kenntnisreicher Kunstliebhaber gilt.
Den vierfachen Toursieger Armstrong hat Botero im vergangenen Jahr im Zeitfahren nicht nur bei der Tour-Generalprobe Dauphiné Libére, sondern auch im Juli im ersten Kampf gegen die Uhr in Lorient geschlagen und dem Texaner damit etwas Angst gemacht. Das war Telekom Empfehlung genug, um nach dem Ullrich-Abgang mit einem Scheck in Millionen-Höhe zu wedeln.
Anders als die Kolumbianer, die in den 80er Jahren die Tour als leichtgewichtige Bergspezialisten entdeckten, weicht Botero als bulliger Zeitfahr-Spezialist vom Klischee ab. Zusammen mit Armstrong und Jan Ullrich zählt der Tour-Vierte des Vorjahres zur Elite im Einzelzeitfahren, hat aber auch Stärken im Gebirge. Nach der Team- Präsentation am 29. Januar in Berlin wird sich der zweisprachige Akademiker bis Anfang Mai zum Training aus Europa in seine Heimat verabschieden.
In seiner Heimatstadt Medellin geht es laut Botero nicht so rau zu wie im vergangenen Jahr kolportiert wurde: «Kolumbien ist ein konfliktreiches und unsicheres Land, aber dass ich aus Angst vor Entführung durch Terroristen nur auf bestimmten Straßen trainieren konnte, die durch Militär bewacht waren, stimmt nicht.» Ebenfalls entsprächen - fast schon branchenübliche - Doping-Meldungen nicht der Wahrheit.
«Ich hatte 1999 eine positive Analyse, nachdem bei mir ein überhöhter Testosteron-Wert festgestellt worden war. Ich erhielt aber keine Sanktionen durch den Weltverband, weil eine Klinik in Madrid nachwies, dass das bei mir natürliche Ursachen hat. Das war kein Doping», erklärte Botero, der 2002 bei der Tour nach einer Mini- Vorbereitung von nur 15 Renntagen für Furore gesorgt hatte.