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17.08.2006 20:03
Dopingskandal greift nach Deutschland über

Berlin (dpa) - Der spanische Dopingskandal hat endgültig Deutschland erreicht und Jan Ullrich gerät immer stärker unter Druck.

Am 17. August wurden in Niedersachsen und Thüringen zeitgleich das Wohnhaus sowie der Arbeitsplatz eines deutschen Arztes von Kräften des Bundeskriminalamtes, der zuständigen Staatsanwaltschaft Göttingen und externen Sachverständigen durchsucht. Dabei wurden umfangreiche Beweismittel gefunden, deren Auswertung noch andauert.

Zugleich wird Jan Ullrich in einem der «Süddeutschen Zeitung» vorliegenden Fax erstmals direkt mit dem im Mittelpunkt der Affäre stehenden spanischen Arzt Eufemiano Fuentes in Verbindung gebracht. Wie das Blatt berichtet, befindet sich der Name «Jan Ulrich» (mit nur einem «l» geschrieben) in einem mit «Eufuentes» unterzeichneten Schreiben an den Kolumbianer Nelson Giraldo Flores auf einer Liste von Rad-Profis und Mitarbeitern.

Ullrich hat stets bestritten, in die Doping-Affäre verstrickt zu sein und überhaupt Kontakt zu Fuentes gehabt zu haben, der als Drahtzieher des Skandals gilt. Entrüstet reagierte Ullrichs Manager Wolfgang Strohband auf die Veröffentlichung. «Das in der Süddeutschen Zeitung veröffentlichte Schriftstück liegt uns vor, wir kennen es. Dort wird der Name Jan Ullrich kurioserweise unter Nummer sieben aufgeführt. Bisher hieß es immer, er sei die Nummer eins. Was da in dem Artikel steht, ist völlig unmöglich», erklärte Strohband der dpa auf Anfrage. «Ob Jan juristisch dagegen vorgehen wird, haben wir uns noch nicht überlegt.»

Ullrichs Anwalt Marcus Hotze bezeichnete trotz der jüngsten Enthüllung eine Verbindung des Radstars zu Fuentes als abwegig. «Wir empfinden das Ganze als ein Stück aus dem Tollhaus», sagte der Anwalt der Netzeitung. «Das Fax ist wohl eine innergeschäftliche Angelegenheit von Fuentes. Es ist weder ein Fax von Jan Ullrich, noch ist es ein Fax an Jan Ullrich.» Gegen den deutschen Rad-Profi war vom zuständigen Schweizer Radsport-Verband ein Doping-Verfahren eingeleitet worden. Dem 32-Jährigen droht bei einer Sperre das Ende der Karriere.

Wie das Bundeskriminalamt (BKA) Wiesbaden in einer Presseerklärung mitteilte, leitete die Staatsanwaltschaft Göttingen ein Ermittlungsverfahren gegen den beschuldigten deutschen Arzt wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz ein und beauftragte das BKA mit den Ermittlungen. Der Beschuldigte steht im Verdacht, Arzneimittel, die dem Arzneimittelgesetz unterliegen, zu Dopingzwecken im Sport in den Verkehr gebracht zu haben (Vergehen, strafbar gem. § 95 Abs. 1 Nr. 2a Arzneimittelgesetz).

Das Verfahren ist auf Grund von Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes und spanischer Behörden im Zusammenhang mit dortigen Ermittlungen gegen den in Spanien ansässigen Arzt und mutmaßlichen Lieferanten von Dopingmitteln, Eufemiano Fuentes, eingeleitet worden. Im Rahmen dieser Ermittlungen war der Verdacht aufgekommen, dass es sich bei einem der Zulieferer der Dopingmittel an Fuentes um den Beschuldigten handeln könnte.

«Um 8.30 Uhr begannen die Ermittlungen des BKA im Privatbereich unseres Mitarbeiters», bestätigte die Verwaltungsleiterin der Helios-Klinik Bleicherode der dpa. «Wir unterstützen diese Ermittlungen, die natürlich ergebnisoffen sind. Hier steht ein Vorwurf im Raum. Ob er zutrifft, ist Sache der ermittelnden Behörden», sagte sie. Der betroffene Arzt lehnte ein Statement zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen ab. Johann Peter Prinz teilte als Sprecher des Klinik-Konzerns Helios in einer Erklärung mit: «Die laufenden Ermittlungen betreffen den Privatbereich eines Mitarbeiters unserer Klinik. Sie stehen in keinerlei Beziehung zu den medizinischen oder sonstigen Leistungen unseres Hauses. Der Mitarbeiter ist derzeit beurlaubt. Nach unmittelbar von uns eingeleiteten Untersuchungen gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass die medizinsiche Infrastruktur unseres Hauses genutzt wurde.»

Nach Recherchen der ARD ist der Arzt als deutscher Komplize des Dopingnetzwerks von Fuentes identifiziert worden. Er soll den bisherigen Ermittlungen zufolge jener Mann sein, der Medikamente für Dopingzwecke illegal aus Deutschland für die Spanier beschafft hat. Zu den Adressaten in Spanien soll die Ehefrau von Fuentes, Christina Perez, gehört haben. Die ehemalige Leichtathletin, die in ihrer Karriere einen positiven Dopingtest aufwies, soll als Anlaufstelle in Spanien für den Dopingring ihres Ehemannes gedient haben.

Medikamente, die der Beschuldigte nach Spanien verschickt haben soll, wurden bei Manolo Saiz, dem Direktor des Profiradteams Liberty Seguros, sichergestellt. Dabei handelte es sich unter anderem um das Präparat Synacthen aus deutscher Produktion, das neben anderen Effekten die Eigenproduktion von Kortison im Körper stimuliert. Synacthen war bei Razzien im Kofferraum von Saiz gefunden worden. Die Polizei in Spanien vermutet, dass auch in Deutschland ein Ärztering zahlreiche Sportler mit Dopingsubstanzen versorgt.

Nach «SZ»-Angaben bittet Fuentes in dem Fax seinen Bekannten Giraldo, um «Hilfe und Mitarbeit» für das «Festival im Mai». Damit ist nach Angaben des Blattes der Giro d'Italia gemeint. Das Fax hat laut «SZ» in der Übersetzung folgenden Wortlaut: «Nelson, wie verabredet übermittle ich dir die Liste der Mitarbeiter und Teilnehmer am Festival, das im Mai stattfindet. Auf deine Hilfe und Mitarbeit hoffend, verbleibe ich mit einem Gruß (...), danke, Eufuentes.»

In dem Fax tauchen auch die Namen des italienischen Giro-Siegers Ivan Basso sowie von drei weiteren Fahrern auf, die an der Italien- Rundfahrt teilgenommen haben. Daneben wird ein Ex-Fahrer aus Spanien namentlich genannt, der nach «SZ»-Angaben bei der Razzia im Mai verhaftet worden war. Ullrich und Basso waren wegen ihrer möglichen Verstrickung in die Doping-Affäre um Fuentes unmittelbar vor dem Start von der Teilnahme an der Tour de France ausgeschlossen worden.


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