Mannheim (dpa) - Vor den deutschen Meisterschaften ist eigentlich nur eine Frage spannend: Bekommt Erik Zabel als Trostpflaster für die Tour-Demission von seinem Team den Titel auf dem Silbertablett serviert oder muss sich der Vize-Weltmeister erneut der Stallorder beugen?
Mit ernsthafter Konkurrenz aus anderen Mannschaften - mit Ausnahme von David Kopp von Wiesenhof vielleicht - ist über die 194 Kilometer durch die Mannheimer Innenstadt kaum zu rechnen. Seit Heinrich Trumheller 1992 kam kein deutscher Meister aus einem anderen Team als Telekom beziehungsweise T-Mobile. Titelverteidiger ist Andreas Klöden. Für Team-Manager Olaf Ludwig ist die Sache längst nicht so klar. «Sind wir die einzigen am Start?», fragte er ironisch.
Jedenfalls verzichten viele namhafte Elite-Fahrer unter Hinweis auf das einseitig flache Profil oder den Termin unmittelbar vor der Tour de France. Jan Ullrich, der sich seine Vorbereitung nicht stören lassen wollte, der Deutschland-Tour-Sieger von 2004, Patrik Sinkewitz (Fulda) und Jörg Jaksche vom spanischen Liberty Seguros-Team sind unter anderen nicht am Start. Der 24-jährige Tour-Debütant Sinkewitz kritisierte die Veranstalter: «Ich weiß nicht, ob ein solch flaches Kriterium das richtige Terrain für Titelkämpfe ist. Ich weiß von vielen, dass sie deshalb nicht zu den Meisterschaften kommen.» Verbandspräsident Rudolf Scharping lässt die Kritik nicht gelten: «Das ist eine natürliche Abwechslung. Im nächsten Jahr in Klingenthal haben wir wieder etwas für Bergfahrer.»
Alles deutet darauf hin, dass der knapp 35-jährige Zabel zu seinem dritten Titel nach 1998 und 2003 kommen könnte. Dafür würde T-Mobile vielleicht auch auf seine sonstige Gepflogenheit verzichten, unbedingt mit dem aktuellen deutschen Meister zur Tour zu fahren. «Rolf Aldag wurde auch schon mal Meister und war nicht in unserem Tour-Team», sagte Ludwig, der froh wäre, «wenn wir am Sonntag ersteinmal in die Lage kommen, zu entscheiden, ob einer von uns Meister werden kann». Wenn es zum Sprint käme, dann wäre laut Ex-Sprinter Ludwig «sicher Zabel unser Mann».
Zwei Tage vor Mannheim werden in Schweinfurt die Titel im Zeitfahren vergeben. Auf dem 40-Kilometer-Kurs ist dabei der T-Mobile-Konkurrent Gerolsteiner der große Favorit. Titelverteidiger ist der dreimalige Zeitfahr-Vize-Weltmeister Michael Rich (Emmendingen), der die härteste Konkurrenz neben Jens Voigt (Berlin) im eigenen Team mit Uwe Peschel (Scheidegg) und der Giro-Überraschung Markus Fothen (Kaarst) hat. Rich ist der einzige aus dem Gerolsteiner-Terzett, der im Tour-Aufgebot steht. T-Mobile schickt als Alibi-Starter Olaf Pollack (Cottbus) und Marcus Burghardt (Chemnitz) nach Schweinfurt. Die Elite Ullrich und Klöden konzentriert sich auf Frankreich.
Bei den Frauen geht über 30 Kilometer Titelverteidigerin Judith Arndt (Leipzig) als große Favoritin an den Start. Zwei Tage später in Mannheim könnte Weltmeisterin Arndt über die Meisterschafts-Distanz von 108 Kilometer für ihre Nürnberger Team-Kollegin Regina Schleicher fahren.