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Jan Ullrich wird nach einem Reifenwechsel von einem Mechaniker angeschoben.
25.07.2004 18:26
Godefroot und Ullrich: Finale im Unfrieden

Paris (dpa) - Finale im Unfrieden: Die heftige Kritik des Team-Managers Walter Godefroot an Jan Ullrich und dessen persönlichen Betreuer sorgte am Schlusstag der 91. Tour de France im T-Mobile- Lager für Wirbel.

«Mir persönlich gegenüber hat sich Godefroot noch nicht geäußert. Wir werden darüber sprechen», hatte Ullrich nach seinem zweiten Platz im Einzelzeitfahren in Besancon erklärt. «Wir werden uns in den nächsten Tagen zusammen setzen», sagte Godefroot vor dem Start der letzten Etappe. Der Haussegen hängt schief, Ullrich-Betreuer Rudy Pevenage wusste nicht, «wie es jetzt weitergeht».

«Talent allein reicht nicht», hatte Godefroot Ullrich im «Figaro» kritisiert. Zu Pevenage hätte Godefroot weder «professionell noch persönlich» Vertrauen. Der «L'Equipe» sagte der 61-jährige Belgier, der Ullrich im Vorjahr in sein Team zurückgeholt hatte: «Der Professionalismus Erik Zabels und das Talent Ullrichs ergäbe zusammen einen Eddy Merckx». Ullrich fehle der nötige «Killerinstinkt», die richtige Einstellung und die mentale Stärke, eine Tour zu gewinnen. Im Winter hätte sein Team-Kapitän einen mit großem Aufwand beim Team- Sponsor Audi arrangierten Test im Windkanal abgesagt, so Godefroot.

«Natürlich habe ich das so gesagt, aber oft in anderen Zusammenhängen. Die gedruckte Version der Interviews gab nicht exakt die Gespräche mit den Journalisten wider», sagte Godefroot. Er bestätigte indes: «Gemessen an unseren Ansprüchen, die Tour gewinnen zu wollen, können wir mit Ullrich nicht zufrieden sein, egal wo die Gründe dafür liegen.»

Der kritisierte Olympiasieger und Toursieger von 1997 hatte sich nach der 19. Etappe verteidigt: «Natürlich bin ich traurig, dass ich nicht den Sprung aufs Podium geschafft habe. Aber gegen diesen Armstrong und seine starke Mannschaft war jeder machtlos - auch ich. Ich habe jeden Tag bis zum Umfallen gekämpft. Meine Erkältungs-Krankheit war erst in den Alpen aus meinem Körper raus. Meine Vorbereitung auf die Tour war perfekt.»

Das prognostizierte Duell zwischen dem Gesamt-Vierten und dem übermächtigen Lance Armstrong endete bei der 91. Tour de France, ehe es richtig begonnen hatte. Schon vor dem Showdown in den Alpen geriet der fünfmalige Tour-Zweite, der zu Beginn eine durch Antibiotika behandelte Erkältung überstehen musste, vorentscheidend ins Hintertreffen. Die Bilder vom leidenden Ullrich in den Pyrenäen gingen um die Welt. Zumindest in einer Hinsicht konnte er der Niederlage positive Seiten abgewinnen: «Man sollte aufhören, in mir das größte Talent zu sehen. Wer wie Armstrong sechs Mal die Tour gewinnt, ist zweifelsohne talentierter.»

Was bleibt, ist die Hoffnung auf einen zweiten Tour-Sieg. «Ich fühle, dass ich es noch mal schaffen kann», sagte Ullrich. Auf dem avisierten Weg zum zweiten Gesamtsieg muss er sich aber auf reichlich Gegenwind gefasst machen. Vor allem das Durcheinander um Kompetenzen bei T-Mobile ist vielen Beobachtern ein Dorn im Auge. Mehr denn je steht Ullrichs Sonderstatus auf dem Prüfstand: Als der 30 Jahre alte Olympiasieger zu den Bonnern 2003 zurückkehrte, hatte er sich in seinem Vertrag die Betreuung durch Rudy Pevenage, seinen Bruder Stefan als Mechaniker und eine persönliche Physiotherapeutin festschreiben lassen.

«Wenn Godefroot über Professionalität spricht, dann weiß ich nicht, wie seine öffentliche Kritik vor dem Start des Zeitfahrens zu werten ist. Das hat Jan sicher nicht motiviert. Ich weiß nicht, wie es jetzt weiter gehen soll. Ich weiß nur, dass Jan nur eine Tour de France gewinnen kann, wenn die gesamte Mannschaft geschlossen hinter ihm steht», sagte Pevenage, der am Abend in Paris nicht zur T-Mobile- Abschlussfeier eingeladen worden war.

Viel wird davon abhängen, wie sich Ullrich gegen die neue Konkurrenz im eigenen Lager behaupten kann. Denn mit Andreas Klöden steht ein neuer potenzieller Tour-Sieger bereit. Der 29-jährige Trainingspartner verblüffte mit einem zweiten Platz die Fachwelt und könnte Ullrich in Zukunft die Rolle des Team-Kapitäns streitig machen. Von wachsender Rivalität wollen beide Profis allerdings noch nichts wissen: «Jan ist der beste deutsche Radfahrer», sagte Klöden. «Bei uns gibt es keinen Neid. Wir sind und bleiben Freunde», meinte Ullrich. Bemerkenswert: Erstmals seit 1932, als der Tour-Zweite Kurt Stöpel (Berlin) und der Siebte, Oskar Thierbach (Dresden), für Schlagzeilen sorgten, kamen zwei Deutsche unter die ersten Zehn der Gesamtwertung.

Zusammen mit Alexander Winokurow, der in diesem Jahr verletzt fehlte, soll 2005 ein neuerlicher Anlauf auf den Tour-Thron gestartet werden. Noch stärker als in diesem Jahr gilt das ganze Augenmerk dann dem Gelben Trikot. Da Erik Zabel seinen Zenit überschritten hat, wird für das Team T-Mobile die Jagd auf Sprintpunkte vollends in den Hintergrund rücken. Der sechsmalige Gewinner des Grünen Trikots und in seiner Karriere 12-malige Etappensieger schlug sich als Alleinkämpfer beachtlich, blieb gegen Robbie McEwen (Australien) und Thor Hushovd (Norwegen) jedoch meist chancenlos.


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