Berlin (dpa) - Lance Armstrong polarisiert. Die direkt an den Comeback-Plänen Beteiligten sind hellauf begeistert. Andere wenden sich eher mit Grausen ab bei dem Gedanken, dass der Rekordsieger 2009 tatsächlich seinen achten Tour-de-France-Sieg anpeilen könnte.
«Beide Parteien wollen die erneute Zusammenarbeit - es sieht gut aus», sagte Philippe Maertens, der Sprecher des Astana-Teams, dessen Chef Johan Bruyneel Armstrong von 1999 an in den Mannschaften US Postal und Discovery Channel zum unantastbaren und - nach überwundener Krebserkrankung - «wunderbaren» Tour-Giganten formte. Die ARD, seit zwei Jahren auch offensiver Anti-Doping-Kämpfer, macht sich für die Tour-Ächtung des Texaners stark.
Für viele ist der fast 37-Jährige, der sein Herz politisch an die Republikaner verschenkte, die Galionsfigur des «alten Radsports» mit den schwer behandelbaren Doping-Symptomen. Deshalb könnte die ARD ihren weiter offenen Wiedereinstieg in die Tour-Berichterstattung von 2009 an in gewisser Weise auch vom Verhältnis der Tour-Gewaltigen zum umstrittenen Comeback-Willigen abhängig machen.
Allgemeine Vertragsinhalte stünden bei den jetzigen Überlegungen über eine Tour-TV-Fortsetzung allerdings im Vordergrund, «und das Thema Armstrong spukt eher im Hinterkopf, zumal geklärt werden muss, wie viel Wahrheitsgehalt in den Comeback-Plänen liegt», sagte ARD-Sprecher Rolf-Dieter Ganz der Deutschen Presse-Agentur dpa. Er bestätigte aber auch seine Aussagen in der «Welt am Sonntag» über das «Auslaufmodell» Armstrong: «Für uns ist er ein Stück Vergangenheit. Den wollen wir da nicht mehr sehen. Die Zukunft gehört den jungen Fahrern. Sie besteht bestimmt nicht in der Wiederkehr der Generation Armstrong.»
Der deutsche Markt mit seinen TV-Kunden ist in Frankreich interessant. Den ARD-ZDF-Ausstieg 2007 nach dem Bekanntwerden des Dopingfalls Sinkewitz hatte die Tour kurzzeitig in einen Schockzustand versetzt. Nach der Rückkehr in diesem Jahr ist die Zukunft offen. Der ARD-Vorsitzende Fritz Raff kündigte am vergangenen Mittwoch eine Entscheidung «innerhalb der nächsten Wochen» an. Womöglich müssen die TV-Macher, die Jan Ullrich bis zum Eklat 2006 mit attraktiven Extra-Werbeverträgen hofierten, 2009 eine ganze Reihe höchst belasteter Personalien im Tour-Zirkus aushalten. Die Doping-Gesperrten Ivan Basso sowie die ehemaligen Armstrong-Helfer Floyd Landis und Tyler Hamilton drängen nach dem Absitzen ihrer Fahrverbote wieder auf die Sommerbühne nach Frankreich.
Auch Armstrong ist von seiner Vergangenheit beim Thema Doping belastet. Wenige Tage nach seinem Karriere-Ende im Juli 2005 hatten «L'Équipe»-Reporter in nachträglich vorgenommenen Analysen in sechs seiner eingefrorenen Urin-Proben aus dem Jahr 1999 EPO-Spuren offengelegt. Juristisch und sportrechtlich blieb der Doping-Nachweis für Armstrong folgenlos, weil wegen fehlender B-Probe keine Gegen- Analyse vorgenommen werden konnte. Mit hohem persönlichem und finanziellem Engagement hatte sich der Rekordsieger vor Gerichten gegen seine Kritiker stets gegen Doping-Vorwürfe gewehrt und Manipulation immer abgestritten.
Armstrong wird sich laut «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» am 24. September auf dem «Global Summit» des Ex-Präsidenten Bill Clinton in New York zu seiner sportlichen Zukunft äußern. Den Termin - während der Rad-WM in Varese/Italien - bestätigte der Astana- Sprecher. Vorher wird es laut Maertens kein Treffen zwischen Bruyneel und Armstrong geben. Der Texaner, dessen Jahreseinkommen das Forbes- Institut 2005 auf 28 Millionen Dollar schätzte, will ohne Gage fahren. Ihm geht es vor breiter Öffentlichkeit um seine Anti-Krebs- Stiftung - und um sein Image. Eine erfolgreiche Rückkehr nach drei Jahren Pause würde die amerikanische Helden-Saga Armstrong um ein weiteres Kapitel bereichern.