Malibu/Berlin (dpa) - Sexueller Missbrauch, Erpressungsversuch, Vertrauensbruch: Die Verhandlung gegen Radprofi Floyd Landis ist zum üblen Krimi verkommen und wird für den Angeklagten zum Desaster.
Als Zeuge der Anklage berichtete der ehemalige Radprofi Greg LeMond (USA) im kalifornischen Malibu, als Sechsjähriger sexuell misshandelt worden zu sein und warf dem Landis-Lager vor, ihn damit eingeschüchtert und erpresst zu haben. Mit der Androhung, den sexuellen Missbrauch publik zu machen, habe Landis-Manager Will Geoghegan LeMond am Tag vor seiner Vernehmung telefonisch gewarnt, in den Zeugenstand zu treten. Als Beweis für das Gespräch präsentierte der dreimalige Tour-de-France-Gewinner eine Telefonkarte mit der registrierten Telefonnummer des Landis-Managers.
Im August 2006, als die positive A-Probe von Landis mitgeteilt wurde, hatte LeMond dem Tour-Sieger von 2006 in einem vertraulichen Telefonat das dunkle Kapitel seiner Kindheit erzählt, um seinen Landsmann zu einem Geständnis zu bewegen und Offenheit zu propagieren. «Mein Geheimnis zu bewahren, hat mich fast zerstört», erklärte LeMond, der Landis deswegen gesagt habe, er solle seinem Sport und vor allem sich selbst helfen und ein ruhiges Gewissen bekommen. «Daraufhin meinte er, wozu soll das gut sein? Ich würde Freundschaften zerstören und vielen Menschen wehtun», sagte LeMond aus.
Der gläubige Mennonit Landis, der das Geld für seine Anwälte zum Teil über Spendenaktionen akquirierte, habe LeMonds Vertrauen schamlos missbraucht. Vor Prozessbeginn hatte er noch ein besseres Bild von Landis. «Floyd ist kein schlechter Kerl. Er ist ein Opfer eines korrupten Sports», hatte LeMond zu Wochenbeginn erklärt. Der Angeklagte, der am vierten Verhandlungstag zum ersten Mal seine symbolträchtige gelbe Krawatte gegen einen schwarzen Schlips getauscht hatte, erschien in Begleitung seiner Eltern und verfolgte das Ganze stoisch.
Nach der spektakulären Zeugenaussage wurde Landis-Manager Geoghegan, der im Gerichtssaal hinter den Landis-Anwälten saß, von seinem Berater-Posten gefeuert. LeMond stellte außerdem Strafantrag wegen Erpressung. Zu den Fragen der drei Richter, ob LeMond etwas zu möglichen Doping-Verwicklungen des siebenfachen Tour-Rekordsiegers Lance Armstrong sagen könne, verweigerte der dreifache Toursieger eine Aussage. LeMond und seine Frau hatten Armstrong in der Vergangenheit mehrfach als Doper verdächtigt.
Der vierte Tag der Verhandlung vor der American Arbitration Association (AAA) wurde für das Landis-Lager zur großen Niederlage, obwohl er in ihren Sinn begonnen hatte. Die französische Labor-Angestellte Claire Frelat vom Anti-Doping-Institut Chatenay-Malabry, das die mehrfach positiven Landis-Analysen vorgenommen hatte, gab technische Fehler zu. Sie hätte Computer-Ausdrucke mit den Testergebnissen überschrieben, außerdem sei ihr nach Presseberichten bekannt gewesen, wessen B-Probe sie untersuchte. Anonymität ist bei Doping-Kontrollen nach dem Code der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA oberstes Gebot.
Landis hatte während der Tour 2006 insgesamt acht Dopingproben abgeben müssen. In der Probe nach seinem Aufsehen erregenden Gewinn der 17. Etappe war der Amerikaner bereits positiv getestet worden. Die amerikanische Anti-Doping-Agentur USADA hatte im April die weiteren sieben Urinproben, die zunächst negativ waren, noch einmal mit einem genaueren Verfahren testen lassen. Zwei davon waren auch wieder positiv. Landis hatte immer vehement jegliches Doping bestritten.
Im Fall des anzunehmenden Schuldspruchs droht Landis nicht nur die Aberkennung des Tour-Sieges - sein Name ist aus den Tour-Annalen bereits gestrichen - sondern auch eine zweijährige Dopingsperre durch den Weltverband UCI. Das Verfahren ist aber auch nach der AAA- Entscheidung, die spätestens am 23. Mai fällt, wahrscheinlich nicht zu Ende. Landis hat ebenso wie die WADA, der Weltverband UCI oder die USADA die Möglichkeit, vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS in Berufung zu gehen. Ein rechtskräftiger Schuldspruch vor Ende 2007 wäre eine Überraschung.