La Mongie (dpa) - Schwarzer Freitag für Jan Ullrich: Auf der ersten Pyrenäen-Etappe hat Lance Armstrong in großem Stil zugeschlagen und dabei auch die deutsche Tour-Hoffnung vorentscheidend getroffen.
Auf der 12. Etappe der Tour de France von Castelsarrasin nach La Mongie über 198 km initiierte der Seriensieger einen Überraschungs-Angriff am Schlussanstieg in die 1715 m hoch gelegene Skistation und nahm dem Olympiasieger 2:30 Minuten ab. Damit vergrößerte Armstrong seinen Vorsprung auf seinen Herausforder auf 3:37 Minuten. Neben Ullrich fielen auch der Vorjahres-Vierte Tyler Hamilton (USA/3:27 Minuten zurück) und Roberto Heras (Spanien/2:57) zurück.
Ullrich fand sich am Ende der Etappe im Gesamtklassement zwar nur auf dem 16. Platz wieder, wollte aber nicht von einer Vorentscheidung zu seinen Ungunsten sprechen. «Aber der große Einbruch war das doch gar nicht. Ich hatte heute einfach einen schlechten Tag und schon beim ersten Anstieg gemerkt, dass ich keine guten Beine hatte. Aber die Tour ist noch lang», meinte Ullrich. «Am meisten überraschte mich Ullrich heute. Aber er ist ein starker Kämpfer und wird eine gute letzte Tour-Woche haben», erklärte Armstrong.
Den Tagessieg sicherte sich noch vor Armstrong der Italiener Ivan Basso, der seinem Team CSC den ersten Etappenerfolg dieser Tour bescherte. Der 25-jährige Franzose Thomas Voeckler verteidigte sein Gelbes Trikot ein weiteres Mal. Wie so oft aber bluffte Armstrong erfolgreich: Noch einen Tag vor der ersten schweren Bergetappe der diesjährigen Tour hatte er ein verhaltenes Rennen ohne Attacken angekündigt. Doch auf dem nicht allzu steilen Anstieg zum Tourmalet fuhr er seinem vermeintlichen Hauptrivalen Ullrich in unnachahmlicher Manier auf und davon. Mit einem starken Auftritt an gleicher Stätte hatte Armstrong bereits 2002 den Grundstein zu seinem späteren Sieg gelegt.
Seinem Antritt drei Kilometer vor dem Ziel konnte nur Basso aus dem Team von Bjarne Riis folgen. Armstrong liegt im Gesamtklassement jetzt 5:24 Minuten hinter Voeckler. Für einen aus deutscher Sicht positiven Aspekt sorgte lediglich Andreas Klöden. Der deutsche Meister wurde 20 Sekunden hinter Armstrong Tagesdritter und liegt nun als Gesamt-Fünfter deutlich vor seinem Chef Ullrich.
Der wollte nicht ausschließen, sich zum Edelhelfer für Klöden degradieren zu lassen: «Ich habe schon vor der Tour gesagt, dass ich demjenigen helfe, der besser liegt, wenn es bei mir nicht so läuft.» Auch Team-Manager Walter Godefroot brachte Klöden ins Spiel: «Wir wissen nicht, was bis zum Ende der Tour noch passiert - deshalb haben wir Andreas in Reserve.»
Die erneuten Wetterkapriolen bevorteilten den ausgewiesen Schlechtwetter-Fahrer Armstrong. Nach zwei Sonnentagen versanken die Pyrenäen zeitweise in Regen und Hagel. Am Start in Castelsarrasin zeigte das Thermometer 30 Grad, im 1715 m hoch gelegenen Skiort La Mongie unterhalb des Tourmalet-Gipfels nur noch 13 Grad. 65 km vor dem Ziel hatten die Gewitterwolken das Feld erreicht. Im Finale schien jedoch nicht nur für Armstrong wieder die Sonne.
Vor dem Start hatten sich die Organisatoren vergeblich bemüht, zwei Fahrer auszuschließen. Tour-Direktor Jean-Marie Leblanc empfahl dem Tschechen Pavel Padrnos und dem Italiener Stefano Zanini, wegen laufender Doping-Ermittlungen in Italien nicht anzutreten. Sowohl Armstrongs US-Postal-Team für Padrnos als auch Quickstep für Zanini weigerten sich unter Berufung auf die Statuten des Internationalen Radsport-Verbandes, ihre Fahrer aus dem Rennen zu nehmen.
Gegen beide Profis wird seit 2001 ermittelt, als sie während des Giro d'Italia nach einer Polizei-Razzia belastet wurden. Aus gleichem Grund waren vor dem Tour-Start einige Profis nicht zugelassen und am vergangenen Montag Martin Hvastija (Slowenien/Alessio) und Stefano Casagranda (Italien/Saeco) aus dem laufenden Rennen genommen worden.