Lorca/Berlin (dpa) - Sportlich liegt Jan Ullrich bei seinem Vorbereitungs-Programm in Spanien im Soll. Leichte Irritationen in seinem Umfeld sorgen bei der Murcia-Rundfahrt allerdings für Unruhe.
Der beim T-Mobile-Team in Ungnade gefallene Rudy Pevenage, seit neun Jahren ständig an der Seite des Olympiasiegers, steht abseits und muss zum ersten Mal als fünftes Rad am Wagen zurecht kommen. «Das ist für alle Parteien gewöhnungsbedürftig und eine Umstellung. Aber das wird sich noch einspielen», gab Ullrich nach dem Zeitfahren, bei dem er mit 1:06 Minuten Rückstand auf Lance Armstrong nach 21,3 km in einem zum jetzigen Saisonzeitpunkt akzeptablen Bereich blieb, diplomatisch zum Thema «atmosphärische Störungen» zu Protokoll.
Pevenage wohnt nicht im Team-Hotel, fuhr auf der ersten Etappe im Wagen des Kelme-Chefs Vincente Belda mit und beschränkte seine «Betreuung» bei Ullrichs erstem Zeitfahren seit der Tour auf einige Worte vor dem Start. Der Flame reiste planmäßig aus Spanien zurück und trifft Ullrich in der Toskana wieder, wo der T-Mobile-Kapitän ein weiteres Form-Tuning vornehmen wird. «Jan wusste es, Rudy wusste es, wir haben es immer gesagt: Pevenage ist nicht mehr Team-Mitglied, sitzt nicht im Begleitwagen und wohnt nicht im Mannschafts-Hotel. Daran wird sich nichts ändern», erklärte Teamsprecher Olaf Ludwig unmissverständlich. Beim Zeitfahren waren Teamleiter Mario Kummer und sein Bruder Stefan als Mechaniker Ullrichs Begleiter und direkte Ratgeber.
Pevenage, zu dem Teamchef Walter Godefroot alle Brücken abgebrochen hatte, nachdem der Ullrich-Intimus Ende 2002 zusammen mit dem Tour-Sieger von 1997 Telekom verlassen hatte, wollte kein Öl ins Feuer gießen und hielt sich mit Wortmeldungen zurück. Er scheint - mit wenig Hoffnung - auf ein Machtwort von Ullrich zu warten. Bei anscheinend klaren Fronten wird es wahrscheinlich ausbleiben. «Es ist eine komische Situation und sie wird sich auch in der Tour, glaube ich, nicht ändern - wir müssen uns alle daran gewöhnen», meinte Pevenage, der von T-Mobile mit einem ordentlich dotierten Zwei- Jahres-Vertrag wahrscheinlich auch über die Gegebenheiten hinweggetröstet werden soll.
Auf der ersten Etappe 7:35 Minuten Rückstand auf Armstrong, beim Zeitfahren etwas mehr als eine Minute: Kein Grund für Ullrich, an der Effizienz des eigenen Saisonaufbaus zu zweifeln. «Ich bin zufrieden, wie es hier für mich bisher läuft. Ich weiß nicht wie Lance rangeht: Aber unser jetziges Leistungsvermögen lässt keinen Rückschluss auf die Tour zu. Ich habe 1500 Grundlagen-Kilometer mehr in den Beinen als im Vorjahr um diese Zeit. Das ist ein gutes Fundament, um darauf aufzubauen. Gut, dass es hier noch eine schwere Bergetappe gibt», sagte Ullrich, der sich wunderte, «dass ich beim Zeitfahren sogar einen eine Minute vor mir gestarteten Fahrer eingeholt habe».
Die Katalanische Woche Ende März, die Sarthe-Rundfahrt, bei der es wie bei seinem Saison-Einstand im Vorjahr wieder ein Zeitfahren als willkommenen Test geben wird, und die belgischen Klassiker Flèche Wallonne und Lüttich-Bastogne-Lüttich im April sind laut Pevenage die nächsten Stationen auf dem beschwerlichen Weg zur optimalen Tour- Form, die Armstrong den sechsten Sieg in Folge verbauen soll. «Lance ist schlagbar», stellte Ullrich in Lorca noch ein Mal fest und machte sich Mut.