Madrid (dpa) - Als Primoz Roglic (Jumbo-Visma) nach seinem Happy End bereits in Feierlaune war, sorgte Pascal Ackermann (Bora-hansgrohe) für ein Finale furioso der so speziellen Radsport-Saison 2020.
Der Sprintstar aus der Pfalz holte sich mit einem wuchtigen Sprint und minimalem Vorsprung den Sieg auf der Schlussetappe der Vuelta und gehörte damit neben Gesamtsieger Roglic zu den Protagonisten auf den Straßen in Madrid. Der Slowene holte sich nach einem packenden Showdown am Samstag wie im Vorjahr den Vuelta-Triumph, nachdem er ein bitteres Déjà-vu gerade noch abgewendet hatte.
Entsprechend gelöst war Roglic auf der Triumphfahrt in der spanischen Hauptstadt. Bevor die Sprinter zum Zug kamen, wurden wie bei der Tour de France zu Beginn der komplett flachen Schlussetappe bereits die Siegerfotos geschossen. Arm in Arm mit dem Gesamtzweiten Richard Carapaz (Ineos Grenadiers) und Hugh Carthy (EF Pro Cycling) radelte Roglic an der Spitze des Feldes. «Das ist sehr besonders. Wir haben ein großes Ding geschafft. Ich bin stolz auf meine Leistung», sagte Roglic, der nach Zieleinfahrt sein Rad in die Höhe stemmte.
Für solche Jubelszenen fehlte Ackermann die Kraft. Nach einem langen Sprint setzte sich Ackermann in einer Millimeter-Entscheidung Sam Bennett (Deceuninck-Quick Step) und Max Kanter durch. Kanters Sunweb-Teamkollege Jasha Sütterlin rundete auf Rang fünf das hervorragende deutsche Resultat ab.
«Ich bin so glücklich, dass ich heute gewonnen habe. Das war aber nur durch die Unterstützung meiner Teamkollegen möglich, die besonders auf den letzten drei Kilometern einen außergewöhnlichen Job gemacht haben», dankte Ackermann seinen Bora-hansgrohe-Teamkollegen. «Wir hatten nie eine leichte Etappe hier bei der Vuelta. Es gab immer einen harten Kampf um die Ausreißergruppe und dann auf Etappen wie gestern, mussten die Sprinter doch ziemlich stark leiden. Es war eben wichtig, so viele Körner wie möglich zu sparen und ich bin froh, dass ich meine Energie sparen konnte und heute hat sich das auch bezahlt gemacht. Wir haben uns in der entscheidenden Phase zuerst etwas zurückgehalten, denn wir wussten, dass wir einen starken Sprintzug hatten. Auf den letzten zehn Kilometern sind wir dann Vollgas gefahren und konnten den Sieg holen. Vielen Dank an das ganze Team!»
Am Vortag hatte sich der frühere Skispringer Roglic einen großen Kampf mit Carapaz um den Gesamtsieg geliefert. «Ich hatte nicht immer alles unter Kontrolle, aber ich habe meine Aufgabe erledigt. Ich habe nicht daran gezweifelt», versicherte Roglic. Sieben Wochen nach dem bitteren K.o. bei der Tour de France, als er am vorletzten Tag den scheinbar sicheren Gesamtsieg aus der Hand gegeben und das Gelbe Trikot im Einzelzeitfahren an seinen jungen Landsmann Tadej Pogacar verloren hatte, war die Welt wieder in Ordnung. Dieses Mal war er beim «großen Kampf» im Skigebiet Sierra Bejar Covatilla nicht unter dem großen Druck eingebrochen.
Für einen Moment sah es aber so aus, als ob die bösen Geister Roglic wieder einholen würden. Drei Kilometer vor dem Ziel attackierte Carapaz, der Mann aus Ecuador fuhr Sekunde um Sekunde heraus. Zwischenzeitlich wies das virtuelle Gesamtklassement nur noch 17 Sekunden Vorsprung für Roglic aus. Doch diesmal zeigte Tony Martins Teamkollege keine Nerven. Mit einem Vorsprung von 24 Sekunden wurde Roglic am Sonntag in Madrid geehrt.
Roglic hatte seinen knappen Vorsprung bei der Spanien-Rundfahrt auch den 48 Bonussekunden zu verdanken, die er auf sechs Etappen einsammelte. Ein schlechtes Gewissen hatte er dabei nicht. «Wenn du gewinnst, schaust du am Ende nicht darauf, wie du es geschafft hast. Jeder hat die gleiche Chance, die Bonussekunden zu holen. Ich habe sie genommen.» Mit vier Etappensiegen und drei zweiten Plätzen hat sich der Mann aus Trbovlje das Rote Trikot aber auch verdient. Roglic wird die Saison als Weltranglistenerster beenden. Zwölf Saisonsiege, darunter auch der Triumph beim Klassiker Lüttich-Bastogne-Lüttich dokumentieren ein herausragendes Jahr.
Dass in Zeiten von Corona die Radsport-Saison bis auf wenige Ausnahmen überhaupt durchgezogen werden konnte, wertet Roglic als großen Gewinn: «Bei dem Zustand, in der die Welt ist, können wir glücklich sein, dass wir Rennen fahren dürfen.»