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Der disqualifizierte Weltmeister Peter Sagan reiste von der Tour de France ab. Foto: Dirk Waem
05.07.2017 17:12
Jury kennt bei Sagan kein Pardon - CAS kann nicht helfen

Vittel (dpa) - Der Fall Peter Sagan beschäftigte kurzfristig sogar den Internationalen Sportgerichtshof CAS, Anwälte waren involviert, bis unmittelbar vor dem Start wurde verhandelt - doch die Jury kannte kein Pardon.

Für den Rad-Weltmeister gab es kein Zurück ins Peloton der 104. Tour de France. Nicht nach Planche des Belles Filles, dem Zielort der fünften Etappe, sondern in die Wahlheimat Monaco ging für den Slowaken am Mittwoch die Reise.

Mit offenem Haar und in Freizeitkleidung hatte Sagan am Morgen restlos enttäuscht das mondäne Teamquartier Club Med Ermitage in Vittel verlassen. «Ich bin gegen die Entscheidung der Jury, aber ich akzeptiere sie», sagte der Weltmeister in einem knappen Statement und fügte hinzu: «Es tut mir leid, dass Mark Cavendish zu Fall gekommen ist und sich verletzt hat. Ich hoffe, dass er schnell gesund wird. Ich habe aber nichts falsch gemacht. Das war ein Sprint, wie es ihn früher gab und auch weiter geben wird.»

Als Sagan bereits im Auto Richtung Monaco saß, kämpfte sein Team Bora-hansgrohe weiter um die Starterlaubnis. Der CAS wurde kurzfristig angerufen - ohne Erfolg. «Wir hatten die Hoffnung, dass die Entscheidung noch einmal überdacht wird und Peter unter Vorbehalt starten darf. Eine Anhörung hat aber nicht mehr stattgefunden», sagte Teamsprecher Ralph Scherzer der Deutschen Presse-Agentur. Die Jury habe lediglich den Einspruch zur Kenntnis genommen.

Mit dem Abschied Sagans verlor die Frankreich-Rundfahrt ihre Hauptattraktion. Weiter gingen hitzige Diskussionen, ob die Disqualifikation des schillernden Radprofis und Showstars nach seinem Ellbogencheck gegen den Briten Mark Cavendish im Sprintfinale der vierten Etappe am Dienstag richtig war.

«Eine krasse Fehlentscheidung» sei dies gewesen, sagte Teamchef Ralph Denk. «Für einen Ausschluss muss ein grober Vorsatz vorliegen, der war nicht da», monierte Denk und kritisierte die Vorgehensweise der Offiziellen: «Es hat kein Hearing stattgefunden. Ich kenne das aus der Formel 1. Da kracht es auch öfter. Da werden die Fahrer an den Tisch geholt. Hier wurde lediglich der Sportlichen Leitung die Entscheidung mitgeteilt.»

Die meisten Begleiter im Tourtross empfanden das Urteil ebenfalls überzogen. Auch André Greipel, der unmittbar nach dem Crash mit dem Doppel-Weltmeister noch hart ins Gericht gegangen war. «Manchmal sollte ich die Bilder anschauen, bevor ich etwas sage. Entschuldigung an @petosagan, da ich denke, dass die Entscheidung der Jury zu hart ist», twitterte der dreimalige deutsche Meister später.

Auch Cavendish muss mit einem Bruch des rechten Schulterblatts nach Hause. Er nannte die Jury-Entscheidung am Mittwoch mutig. Mit der Entschuldigung seines Rivalen und Freundes noch im Teambus am Dienstagabend sei die Sache für ihn erledigt: «Es zeigt, was für ein Mensch er ist, und das zählt für mich mehr als alles andere.»

Sagan, wie Cavendish in harten Sprints bekanntermaßen kein Kind von Traurigkeit, war sich keiner Schuld bewusst. «Démare kam auf der rechten Seite an mir vorbei, und ich wollte an sein Hinterrad. Mark kam von hinten, aber ich habe ihn nicht gesehen. Dann hat er zuerst mich berührt und dann die Absperrung. Ich musste irgendwie mein Gleichgewicht halten», sagte der Slowake. Cavendish hatte schließlich auch John Degenkolb mitgerissen.

Seit sieben Jahren hatte es bei der Tour keine Disqualifikation mehr - abgesehen von den Doping-Ausschlüssen - wegen eines unsportlichen Verhaltens gegeben. Mark Renshaw - damals wie heute übrigens Anfahrer von Cavendish - war ebenfalls nach einem Wild-West-Sprint bestraft worden. Auch Dietrich Thurau hatte es 1985 mal erwischt, nachdem er einem Rennkommissar an den Kragen gegangen war.

Im aktuellen Fall gingen die Meinungen weit auseinander. «Das war kein Unfall. Das war ein vorsätzlicher Ellbogencheck. Sagan boxt, kickt Cavendish in die Bande. Dafür gehört er nach Hause geschickt», hatte Teamchef Rolf Aldag gefordert.

Beim Bora-hansgrohe-Team sah man den Fall freilich anders. Es sei ein klarer Rennunfall gewesen, ergänzte Denk. «Cavendish ist in eine Lücke gefahren, wo keine war. Peter musste auf dem Rad balancieren, dafür brauchte er seinen Ellbogen. Das war nicht gegen Cavendish gerichtet.» Vom Team werde es auch keine Strafe gegen Sagan geben. «Er hat nichts falsch gemacht, wir werden ihn weiter unterstützen», meinte Denk.

Nicht nur Greipel - die meisten Sagan-Konkurrenten und Ex-Profis empfanden die Strafe als zu hart. «Ich hab's direkt nicht gesehen, nur später auf dem Video. Aber die Strafe ist zu hart. Cavendish ist eine Lücke gestoßen, wo eigentlich kein Platz mehr war», sagte der Berliner Simon Geschke, Tour-Etappensieger von 2015. Cavendish bekräftigte dagegen, die Lücke sei groß genug für ihn gewesen.

Ex-Profi Fabian Wegmann, jetzt mit Mikrofon für Eurosport im Einsatz, meinte: «Da hätte es andere Strafen gegeben, die Sagan auch weh getan hätten. Aber ein Ausschluss - nein, das geht nicht», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Der dreimalige Toursieger Greg LeMond empfand das dramatische Finale als «vielleicht ein bisschen unfair, aber im Sprint nichts Außergewöhnliches».

Für das deutsche Bora-hansgrohe-Team ist der Ausschluss ein harter Schlag. Aufgeben kam Teamchef Denk aber nicht in den Sinn. «Wir werden auf den Ausschluss sportlich reagieren. Wir haben mit Rafal Majka und Emanuel Buchmann zwei aussichtsreiche Kandidaten im Gesamtklassement», sagte Denk im ZDF-«Morgenmagazin».


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