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100 Jahre Mythos Tour
02.01.2003 11:11
100 Jahre Mythos Tour

Berlin (dpa) - Die Tour de France feiert in diesem Jahr einen runden Geburtstag. 100 Jahre zwischen Gegenwart und Steinzeit des Radsports.

Schotterpisten statt Asphalt, Startzeiten zwischen 22.00 und 05.00 Uhr morgens, Etappenlängen von 467 km, Räder ohne Schaltung und der Dorfschmied als Nothelfer bei Defekten: Für den Franzosen Maurice Garin, der am 19. Juli 1903 die neun Monate zuvor von einem Sportjournalisten erdachte erste Radtour durch Frankreich gewann, hatte die «Tour der Leiden» eine spezielle Bedeutung.

«Für viele wird das Jubiläum etwas ganz Besonderes sein, für mich ist es eine Tour mit den üblichen Gefahren», sagte Lance Armstrong knapp hundert Jahre später lapidar. Hält die Siegesserie des geheilten Krebs-Patienten, ist der Texaner am 27. Juli 2003 Mitglied des elitären Clubs der fünffachen Tour-Sieger. Den bilden die Franzosen Jacques Anquetil und Bernard Hinault sowie Eddie Merckx (Belgien) und der Spanier Miguel Indurain, der als einziger das Gelbe Trikot in Paris fünf Mal ununterbrochen von 1991 bis 1995 trug.

1904 wurde die Tour am Grünen Tisch entschieden, da die vier Top- Fahrer - unter ihnen auch der Vorjahressieger - massiv manipuliert hatten. Der Kräfte sparende Umstieg auf die Eisenbahn war dabei wohl der gröbste Regelverstoß, der erst vier Monate nach Tour-Ende zur Resultatsänderung führte. Garins Landsmann Henry Cornet, mit 19 Jahren jüngster Tour-Gewinner aller Zeiten, bekam den Sieg zugesprochen. Sein Vorsprung war komfortabel - vom 23. und letzten trennten ihn 101 Stunden und 36 Minuten. Nur acht Sekunden Vorsprung nach 3285 km hatte Armstrongs Landsmann Greg LeMond (USA) 1989 auf den zweitplatzierten Laurent Fignon (Frankreich).

Die zwei Weltkriege verhinderten zwischen 1915 und 1918 sowie 1940 und 1946 die Austragung der Tour, die im November 1902 in der «Taverne Zimmer» in Paris als eine Art Schnapsidee geboren wurde. Nur die Flandern-Rundfahrt (erste Austragung: 1913) trotzte den Wirren und Schrecken des Zweiten Weltkrieges. Danach gingen deutsche Fahrer erst 1955, als Mitglieder der Nationalmannschaft Luxemburgs, wieder an den Tour-Start.

Für das Helden-Epos durften auch deutsche Profis einige Kapital Tour-Geschichte schreiben. Kurt Stöpel aus Berlin-Spandau trug als erster Deutscher das 1919 - in diesem Jahr erreichten nur elf Fahrer das Ziel - eingeführte Gelbe Trikot. 1932 wurde er hinter dem Franzosen André Leducq Zweiter in der Endabrechnung. Der große Wurf aus deutscher Sicht gelang dem gebürtigen Rostocker Jan Ullrich 1997.

In den 60er und 70er Jahren hatten die Namen Rudi Altig (1962 erster Deutscher im Grünen Trikot), Hans Junkermann (Vierter 1960), Rolf Wolfshohl und Dietrich Turau (1977 für 15 Tage in Gelb) aus nationalem Blickwinkel den besten Klang. Berlin hatte in mehrfacher Beziehung Bedeutung für die Tour: 1987 fiel der Startschuss im Westteil der damals noch geteilten Stadt. Und Erik Zabel, im ehemaligen Ostteil gebürtig, stellte mit sechs Grünen Trikots in Serie (1996-2001) einen bemerkenswerten Rekord auf.

Das Thema Doping ist kein Tour-Phänomen der Neuzeit. Den diesbezüglichen Höhepunkt gab es nach dem Tod Tom Simpsons - der Engländer starb am 13. Juli 1967 auf dem Mont Ventoux nach der Einnahme von Amphetaminen und Alkohol - 1998 zu registrieren. Polizei-Razzien und Verhöre hinter Gefängnis-Mauern brachten erschreckende Praktiken der Fahrer und ihrer Betreuer zu Tage. Die Tour stand vor dem Abbruch und auf der Kippe. Ganz hat sie sich davon immer noch nicht erholt.


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